Europaweite Studie: Anwältinnen und Anwälte häufig wegen ihres Berufs bedroht
Alarmierend viele Anwältinnen und Anwälte erleben Belästigungen und Bedrohungen wegen ihrer Tätigkeit. Das ist das Ergebnis eines Übersichtsberichts, den der Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) zum internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember veröffentlichte. Die Zahlen speziell in Deutschland sind etwas weniger negativ als im Durchschnitt.
Über die Hälfte der Anwältinnen und Anwälte haben in den letzten zwei Jahren mindestens einmal Bedrohungen und Aggression erlebt, gut ein Achtel von ihnen sogar körperliche Gewalt. Für einen signifikanten Teil von ihnen hat das Auswirkungen auf die Berufszufriedenheit und Gesundheit. Das ist das alarmierende Ergebnis einer Befragung, die im Frühjahr 2024 parallel in 18 Mitgliedstaaten des Rates der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) durchgeführt wurde und an der insgesamt rund 15.000 Anwältinnen und Anwälte teilnahmen. Zum internationalen Tag der Menschenrechte am 10.12.2024 veröffentlichte der CCBE einen Übersichtsbericht zu der Untersuchung.
In Deutschland führte die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) die entsprechende Untersuchung im März und April dieses Jahres durch. Mehr als 3.500 in Deutschland zugelassene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (ca. 1,2 % der Anwaltschaft) haben Fragen zu ihren Erfahrungen mit Angriffen in Form von Belästigungen, bedrohlichem Verhalten, verbaler oder körperlicher Aggression beantwortet.
Die Ergebnisse der BRAK-Studie lassen aufhorchen. Fast die Hälfte der teilnehmenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (49,71 %) war in den letzten zwei Jahren im Zusammenhang mit ihrer Anwaltstätigkeit mindestens einmal verbalen Aggressionen, beispielsweise Beleidigungen, ausgesetzt. 6,8 % erlebten in diesem Zeitraum mindestens einmal körperliche Aggression.
Zu einem konkreten Erlebnis befragt, gaben die Umfrageteilnehmer vielfältige Auswirkungen des Ereignisses auf sie an. Fast ein Drittel der Betroffenen berichteten von einer Beeinträchtigung ihrer Arbeitszufriedenheit, ca. 20 % sahen eine Wirkung auf ihre psychische Gesundheit. Zudem nahm etwa jede bzw. jeder Neunte Auswirkungen auf die eigene Leistung als Anwältin oder Anwalt wahr. Aufgrund der Erfahrung von bedrohlichem Verhalten, Belästigung oder Aggression dachte fast ein Viertel der Anwältinnen und Anwälte schon mindestens einmal darüber nach, ihren Beruf aufzugeben. Knapp zehn Prozent der Befragten gaben an, mindestens eine Kollegin oder einen Kollegen zu kennen, die oder der aufgrund solcher Vorfälle den Beruf verlassen habe.
Im europäischen Vergleich sind die deutschen Umfrageergebnisse gleichwohl tendenziell weniger negativ als der Durchschnitt. So berichteten z.B. verhältnismäßig etwas weniger Befragte von in den letzten zwei Jahren erlebten Angriffen. Zudem gaben die Betroffenen öfter als in den meisten anderen teilnehmenden europäischen Staaten an, dass solche Angriffe keine Auswirkungen gehabt hätten.
Weiterführende Links:
CCBE report on threatening behaviour an agression towards lawyers, 2024 Edition
Umfrage zu bedrohlichem Verhalten und Aggressionen gegenüber Anwälten - Ergebnisse
Hintergrund
Die BRAK befasst sich intensiv mit der Bedrohung und Belästigung von Anwältinnen und Anwälten. Das Thema war u. a. Gegenstand der gemeinsam mit der Universität Hannover (IPA) veranstalteten Konferenz „Anwaltschaft im Blick der Wissenschaft“ am 08.11.2024.
Die massive Bedrohung einer Dresdener Anwältin in der Folge hetzerischer Berichterstattung u. a. in der BILD war dort ebenso Thema wie in zwei Folgen des Podcasts „(R)ECHT INTERESSANT!“ mit BRAK-Vizepräsidentin Sabine Fuhrmann und der Migrationsrechtlerin Dr. Kati Lang, die auch über mögliche Schutzmaßnahmen sprechen. Über den „Fall Dresden“ berichteten u. a. die Nachrichten aus Berlin 18/2024 v. 04.09.2024; siehe auch Wessels, BRAK-Mitt. 2024, 187 sowie Nitschke, BRAK-Magazin 4/2024, 3.
Mit der Bedrohungen und Verfolgung von Anwältinnen und Anwälten weltweit und auch in Deutschland befasst sich der BRAK-Ausschuss Menschenrechte.
Der Tag der Menschenrechte ist ein internationaler Gedenktag. Er erinnert an die Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am 10.12.1948 in Paris. Durch die UN-Resolution 423(V) wurde im Jahr 1950 der 10. Dezember zum internationalen Gedenktag erklärt.