Polizei drückt Finger des Beschuldigten auf sein Handy – zulässig?
Das OLG Bremen hält es für strafprozessual zulässig, den Finger des Beschuldigten auf den Sensor seines Handys zu drücken, um es zu entsperren.
Die Polizei darf auch mit Zwang den Finger des Beschuldigten auf dessen Mobiltelefon drücken, um es zu entsperren, so das OLG Bremen. Diese Maßnahme und der damit einhergehende unmittelbare Zwang könnten auf die Ermächtigungsgrundlage des § 81b Abs. 1 StPO gestützt werden. Damit sei jedoch nur die Entsperrung als solche erlaubt. Die Frage, ob das Handy anschließend auch durchsucht werden dürfe, sei an den strengeren Bestimmungen zur Durchsuchung und Beschlagnahme in den §§ 94 und 110 StPO zu messen, so das OLG weiter (Beschl. v. 08.01.2025, Az. 1 ORs 26/24).
Im Rahmen einer Hausdurchsuchung wegen des Verdachts auf Verbreitung kinderpornographischer Schriften hatten Beamte den Beschuldigten zunächst aufgefordert, sein Smartphone mittels Fingerabdruck zu entsperren. Er verweigerte dies jedoch. Daraufhin wurde er darüber aufgeklärt, dass die Maßnahme notfalls auch unter Zwang geschehen könne. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch ergriff ein Beamter seinen Arm, wogegen sich der Beschuldigte mit Schlägen wehrte. Schließlich wurde er zu Boden gebracht und fixiert. Sodann legten die Beamten seinen Finger auf den Sensor seines Mobiltelefons und entsperrten es dadurch. Der Angeklagte wehrt sich nun gegen seine Verurteilung wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen. Er ist der Auffassung, die Zwangsmaßnahmen gegen ihn seien rechtswidrig gewesen, somit sei sein Widerstand auch nicht strafbar gewesen. Wegen des Verbots der Selbstbelastung hätte er nicht an der Entsperrung seines Smartphones mitwirken müssen.
OLG Bremen: Zwangs-Entsperrung ist schon das mildeste Mittel
Mit dieser Argumentation hatte er jedoch weder vor dem LG noch vor dem OLG Bremen Erfolg. Beide Gerichte sahen die Maßnahme als rechtmäßig an. Die Entsperrung eines Mobiltelefons durch Auflegen eines Fingers könnte auf die Ermächtigungsgrundlage des § 81b Abs. 1 StPO gestützt werden, so das OLG. Die Vorschrift erfasse nicht nur Lichtbilder und Fingerabdrücke, sondern auch „Messungen und ähnliche Maßnahmen“ – sie sei damit ausdrücklich technikoffen formuliert. Zudem handele es sich hier wegen der lediglich einmaligen Verwendung des Fingerabdrucks um eine weniger eingriffsintensive Maßnahme als die dauerhafte Speicherung von Fingerabdrücken. Auch die Anwendung unmittelbaren Zwangs sei als „Annexkompetenz“ von dieser Vorschrift umfasst.
Eine Verletzung des auf Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu stützenden Grundsatzes der Selbstbelastungsfreiheit liege hier nicht vor. Dieser verbiete nur den Zwang zu aktiver Mitwirkung. Nicht aber, dass der Beschuldigte gezwungen wird, gegen ihn gerichtete Beweisermittlungsmaßnahmen passiv zu erdulden.
Weitere Grundrechtseingriffe, etwa in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie auf die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, seien hier gerechtfertigt. Im Hinblick auf das letztgenannte Grundrecht insbesondere dadurch, dass der spätere Zugriff auf die Smartphone-Daten nur unter den strengeren Voraussetzungen der §§ 94 und 110 StPO (Durchsuchungen und Beschlagnahme) zulässig sei.
Ansonsten sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hier gewahrt worden. Insbesondere hätten keine gleich geeigneten milderen Mittel zur Verfügung gestanden. Eine Fingerabdruck-Attrappe zu erstellen, wäre – wie die Abnahme von Fingerabdrücken – ebenfalls mit dem intensiveren Eingriff einer dauerhaften Speicherung der biometrischen Daten des Angeklagten einhergegangen.