Richter verbietet „AfD-Polemik“ im Gericht – keine Befangenheit
Der Klägervertreter sprach von „Wirtschaftsflüchtlingen“ – dass der Richter diese „AfD-Polemik“ verbot, macht ihn nicht befangen, so das OLG München.
Berufsrichterinnen und -richter haben (wie Berufsbeamtinnen und -beamte) nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, für die Verfassung einzutreten. Dies beinhalte auch, sich eindeutig von Bestrebungen zu distanzieren, die den Staat und die verfassungsmäßige Ordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren, so das OLG München. Daher sei ein Richter, der dem Klägervertreter im Gerichtssaal die „AfD-Polemik“, von „Wirtschaftsflüchtlingen“ zu sprechen, verbot, keineswegs befangen. Dies insbesondere angesichts der Tatsache, dass die mutmaßlich rechtsextreme AfD laut OVG Münster vom Verfassungsschutz zu Recht bereits als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wurde (Beschl. v. 28.11.2024, Az. 19 U 3139/20).
In einem Gerichtsverfahren zum sog. „Dieselskandal“ äußerte der Klägervertreter: „Was die Beklagtenvertreter und Wirtschaftsflüchtlinge gemeinsam haben? Man kann ihnen absolut nichts vorwerfen, denn sie nutzen lediglich ein marodes System aus.“ Der Vorsitzende Richter äußerte daraufhin, der Rechtsanwalt solle seine AfD-Polemik aus diesem Gerichtssaal herauslassen. Dieser beantragte, dass der Vorsitzende wegen Befangenheit abgelehnt werden solle.
Das OLG München kam diesem Antrag jedoch nicht nach, sondern war der Auffassung, an dem Vorgehen sei nichts zu beanstanden. Im Gegenteil fanden die Richterinnen und Richter nicht nur deutliche Worte zur „Polemik“ des Anwalts, sondern führten in der Entscheidung grundlegende Aspekte zur Treuepflicht von Berufsrichterinnen und -richtern sowie zur AfD auf.
Berufsrichterinnen und -richter müssen für die Verfassung eintreten
Der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ sei ein regelmäßig abwertend gebrauchtes politisches Schlagwort, das im Kontext von Debatten um Asyl und Asylrecht verwendet werde. Es bezeichne Asylbewerberinnen und -bewerber, die (angeblich) aus rein ökonomischen Motiven zuwanderten. Er gehöre seit den 1970-er Jahren zu den wichtigsten sprachlichen Mitteln, um Flüchtlingen die Notwendigkeit zur Flucht abzusprechen und ihnen einen Missbrauch des Asylrechts vorzuwerfen. Damit bediente sich der Rechtsanwalt einer Rhetorik, welche auch von der vom Bundesamt für Verfassungsschutz zu Recht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13.05.2024, Az. 5 A 1218/22) als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuften Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) verwendet werde.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG obliege Berufsbeamtinnen und -beamten und auch Berufsrichterinnen und -richtern eine besondere politische Treuepflicht gegenüber dem Staat und seiner Verfassung. Diese gebiete, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung zu bejahen - und dies nicht bloß verbal oder formal korrekt, aber uninteressiert, kühl und innerlich distanziert. Sondern insbesondere, dass sie sich „eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanzieren, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren“. Von ihnen werde erwartet, „dass sie diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennen und anerkennen, für den einzutreten sich lohnt.“ Politische Treuepflicht bewähre sich in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen, in denen der Staat auf diese Parteinahme besonders angewiesen sei.
Eingedenk dessen sei der Vorsitzende Richter nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen – sei es auch mit erhobener Stimme – einzuschreiten, wenn ein Rechtsanwalt Flüchtlinge abwerte, diesen mit der Rhetorik einer „mutmaßlich rechtsextremen Partei“ pauschal und ohne belastbare Grundlage einen Missbrauch des Grundrechts des Art. 16a GG unterstelle.
Es sei auch keinerlei objektiver inhaltlicher Bezug der Aussage des Anwalts zum Verfahren erkennbar. Ersichtlich habe die Gleichstellung von „Wirtschaftsflüchtlingen“ mit den Beklagtenvertretern und die Aussage, beide würden „lediglich ein marodes System aus(nutzen)“, offenbar nur die Diffamierung und/oder Provokation der Prozessbevollmächtigen der Beklagten bezweckt.