Vertraulichkeit in Chats

Hetze in privatem Kollegenchat rechtfertigt fristlose Kündigung

Wer in einem Chat mit Kollegen menschenverachtend und beleidigend über den Arbeitgeber hetzt, darf in der Regel fristlos gekündigt werden.

30.08.2023Rechtsprechung

Wer sich in einem privaten WhatsApp-Chat mit Kollegen in beleidigender und menschenverachtender Weise über Vorgesetzte und Kollegen äußert, kann deswegen in der Regel fristlos gekündigt werden, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Grundsatzentscheidung. Nur im Ausnahmefall könne man erwarten, dass der Chat vertraulich bleibe.

Die besagte WhatsApp-Gruppe existierte bereits seit einigen Jahren, zunächst bestehend aus sechs, später aus sieben Mitgliedern. Es handelte sich um sechs aktuell bei Fluggesellschaft TUIFly beschäftigte Mitarbeitende, außerdem ein ehemaliger Kollege. Alle Gruppenmitglieder waren langjährig befreundet, zwei sogar miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerten sich mehrere Mitglieder der Gruppe in „stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen“. Es fielen Sätze wie: „Unsere Piloten müssten alle vergast werden“, „Wie damals im Reich“ und „Anschlag auf BER, wenn das alles so kommt", "Vernichten müssen wir sie alle.“ Doch diese rechtsextremen Gewaltphantasien und andere hetzende Kommentare blieben nicht vertraulich. Ein Mitglied der Gruppe zeigte sie einem anderen Kollegen, der sie direkt auf sein eigenes Smartphone kopierte. Der Inhalt gelangte an den Betriebsrat und später an den Personalleiter. Wenig überraschend folgte daraufhin die außerordentliche fristlose Kündigung der drei größten Hetzer.

Diese gingen dagegen mit einer Kündigungsschutzklage vor und beriefen sich auf die durch das Persönlichkeitsrecht geschützte Vertraulichkeit des Chats. Zudem sei das alles ja nicht ernst gemeint gewesen, man habe nur unter Vertrauten seinem Ärger Luft machen wollen. In dem Verfahren, über welches das BAG in seiner Pressemitteilung berichtete, gaben beide Vorinstanzen dieser Argumentation recht (zuletzt LAG Niedersachsen, Urt. v. 19.12.2022, Az. 15 Sa 284/22).

BAG: Vertraulichkeitserwartung nur im Ausnahmefall berechtigt

Das BAG sah das nun anders und führte aus: Auf die Vertraulichkeit könne man sich nur berufen, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen könnten. Das wiederum sei abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe.

Seien Gegenstand der Nachrichten aber beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.

Das BAG hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache an das LAG zurückverwiesen. Dort hat der Kläger in diesem Verfahren die Chance, darzulegen, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

In den zwei anderen Verfahren entschied das BAG inhaltlich identisch.