Nachrichten aus Berlin | Ausgabe 7/2022

Wiederaufnahme nach Freispruch: Neuregelung aus Sicht der BRAK verfassungswidrig

Seit Ende 2021 gelten erweiterte Möglichkeiten, nach einem Freispruch das Strafverfahren wieder aufzunehmen. Die BRAK hält den neuen § § 362 Nr. 5 StPO für verfassungswidrig.

06.04.2022Newsletter

Das umstrittene Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit ist am 30.12.2021 in Kraft getreten. § 362 Nr. 5 StPO erlaubt nunmehr die Wiederaufnahme eines bereits durch Freispruch abgeschlossenen Strafverfahrens bei Mord und bestimmten völkerstrafrechtlichen Delikten auch dann, wenn neue Beweismittel eine Verurteilung hoch wahrscheinlich erscheinen lassen. Dies ergänzt die bereits vorhandenen Wiederaufnahmegründe, die nur in Härtefällen eingreifen.

Der Bundespräsident hatte nach Unterzeichnung des Gesetzes erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken an dem Gesetz geäußert und angeregt, dieses erneut im Bundestag zu prüfen. Auch Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann sprach sich für eine erneute Überprüfung des Gesetzes aus.

Die Frage, in welchen Fällen ein Strafverfahren nach erfolgtem Freispruch wieder aufgenommen werden darf, ist seit Langem in Strafrechtswissenschaft und -praxis umstritten. Kritikpunkt ist unter anderem, dass eine Wiederaufnahme nach bereits erfolgtem Freispruch gegen den auch in Art. 103 III GG niedergelegten Verfahrensgrundsatz verstößt, dass niemand wegen derselben Tat zweimal angeklagt werden darf („ne bis in idem“). Auch die BRAK hatte das im Jahr 2021 recht überraschend vorgelegte Gesetzesvorhaben scharf kritisiert, insbesondere wegen des „Hau-ruck-Verfahrens“ ohne Beteiligung von Verbänden und Fachöffentlichkeit.

Zu der nunmehr geltenden Regelung hat sie sich mit Blick auf die im Raum stehende Überprüfung des Gesetzes in einer ausführlichen Stellungnahme geäußert. Sie sieht es als schwer erträglich an, einen Freispruch bei schwersten Verbrechen nicht korrigieren zu können, wenn eine Täterschaft einwandfrei feststellbar ist. Gleichwohl hält sie die Neuregelung für zu weitgehend. Die BRAK kritisiert erneut, dass bei diesem wichtigen Gesetzesvorhaben keine Verbändeanhörung stattgefunden habe. Sie legt im Detail dar, weshalb die neuen Wiederaufnahmegründe aus ihrer Sicht systemfremd sind. Die Gesetzesbegründung deute zudem darauf hin, dass die Neuregelung allein mit Blick auf den „Fall Möhlmann“ geschaffen worden sei; der tatsächliche Reformbedarf sei zweifelhaft. Die BRAK äußert zudem gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken, die sie detailliert darlegt.

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