Berufsgeheimnis und DAC-6 – EuGH
Die Generalanwältin am EuGH Kokott stellte am 30. Mai 2024 in ihren Schlussanträgen in der Rs. C-432/23 fest, dass das anwaltliche Berufsgeheimnis auch die gesellschaftsrechtliche Beratung umfasst, die Richtlinie 2011/16/EU (sog. DAC-6) sei aber trotz ihres Ermessensspielraums im Hinblick auf die Vertraulichkeit nicht ungültig.
Die Richtlinie regelt die Zusammenarbeit von Steuerbehörden, sie sieht insbesondere den grenzüberschreitenden Informationsaustausch vor. Meldepflichtige Intermediäre können auch Anwältinnen und Anwälte sein, so dass eine Verletzung des Berufsgeheimnisses droht. Dazu enthält die Richtlinie eine Schutzklausel, welche jedoch im Ermessen der Mitgliedstaaten steht.
Im luxemburgischen Ausgangsverfahren stellte sich u. a. die Frage, ob die Beratung oder Vertretung in Steuersachen – wie im luxemburgischen Recht vorgesehen – generell vom Schutz des Anwaltsgeheimnisses ausgenommen werden kann. Dies verneint der EuGH im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Investitionsstruktur des Ausgangsfalles. Außerdem stellt eine Anordnungsentscheidung im Zusammenhang mit einem Informationsaustauch einen Eingriff in das durch Art. 7 GRC geschützte Recht auf Achtung der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant dar. Die Richtlinie gewähre den Mitgliedstaaten allerdings ausreichend Freiraum, um bei der Umsetzung den Vorgaben von Art. 7 gerecht zu werden. Dass sie den Umfang des zulässigen Eingriffs nicht genau selbst regelt, sei dabei zulässig. Die nationale Umsetzung müsse es insbesondere ermöglichen, im Einzelfall eine Abwägung zwischen dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen und dem Schutz des Anwaltsgeheimnisses vorzunehmen. Die luxemburgische Umsetzung sehe allerdings das erforderliche Ermessen bei dieser Abwägung gerade nicht vor und verstoße daher gegen Art. 7 GRC. Auch die BRAK hatte an der Richtlinie sowie ihrer nationalen Umsetzung vehement Kritik geäußert.
Weiterführender Link:
- Schlussanträge der Generalanwältin (Mai 2024)