Nachrichten aus Brüssel | Ausgabe 14/2024

Entscheidung zur rechtsstaatlichen Garantie des Zugangs zu unabhängigen Gerichten – EuGH

Der EuGH hat am 11. Juli 2024 in den verbundenen Rechtssachen C-554/21, C-622/21 und C-727/21 das Vorabentscheidungsersuchen des kroatischen hohen Handelsgerichts derart beantwortet, dass solche Regelungen dem Unionsrecht entgegenstehen, die unzulässige Eingriffe von nicht dem Spruchkörper angehörenden Personen ermöglichen.

19.07.2024Newsletter

Das kroatische hohe Handelsgericht stellte einen Verfahrensmechanismus zur Sicherstellung kohärenter Rechtsprechung durch den sogenannten „Evidenzrichter“ auf den Prüfstand: An den kroatischen zweitinstanzlichen Gerichten müssen alle von einem Spruchkörper erlassenen Entscheidungen an einen Evidenzrichter des betreffenden Gerichts weitergeleitet werden. Vorher gelten sie nicht als förmlich ergangen und werden den Parteien nicht zugestellt. Der Evidenzrichter wird vom Präsidenten des jeweiligen Gerichts benannt und ist mit dem Recht ausgestattet, Urteilsverkündungen auszusetzen sowie dem jeweiligen Spruchkörper Weisungen zu erteilen. Für den Fall, dass solchen Weisungen nicht Folge geleistet wird, kann der Evidenzrichter die Einberufung einer Abteilungssitzung beantragen, im Rahmen welcher wiederrum Rechtsauffassungen festgelegt werden können. Dies diene dem Zweck der Gewährleistung kohärenter Rechtsprechung.

Der EuGH erklärt in seiner Entscheidung jedoch solche Regelungen als unionsrechtswidrig, die das Versenden einer richterlichen Entscheidung an die Parteien in Abhängigkeit zur Entscheidung einer Person, die gerade nicht dem Spruchkörper angehört, stellen. Zudem sei es nicht mit dem Europarecht vereinbar, den Spruchkörper zu einer abweichenden Entscheidung durch Festlegung einer Rechtsauffassung zu zwingen. M. a. W. soll vor dem Hintergrund der rechtsstaatlichen Garantie des Zugangs zu einem unabhängigen und zuvor durch Gesetz errichteten Gerichts die gerichtliche Entscheidung einzig und allein durch den zuständigen und mit der Rechtssache befassten Spruchkörper – in transparenter und gesetzlich normierter Besetzung – getroffen werden. Einfluss von Personen, die dem Spruchkörper nicht angehören, gilt es auszuschließen.

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