Strafprozess

Angeklagter muss wesentliche Inhalte der Verständigung kennen

Findet ein Gespräch über eine Verständigung statt, dann muss das Gericht dem Angeklagten dessen wesentlichen Inhalt mitteilen, so das BVerfG.

19.02.2024Rechtsprechung

Sprechen Gericht und Verfahrensbeteiligte im Lauf der strafgerichtlichen Hauptverhandlung über eine Verständigung, so muss der Vorsitzende nach § 243 Abs. 4 Satz 2 Strafprozessordnung (StPO) deren Gegenstand und wesentlichen Inhalt mitteilen. Dies hat das Bunderfassungsgericht (BVerfG) festgestellt (Beschl. v. 08.11.2023, Az. 2 BvR 294/22).

Während einer Hauptverhandlung betreffend Steuerstraftaten war die Sitzung für etwa 20 Minuten unterbrochen worden, wobei auch der Angeklagte den Saal verlassen musste. Im Anschluss an das Gespräch zwischen dem Verteidiger, dem Gericht und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft wurde dem Angeklagten lediglich mitgeteilt, dass er im Fall eines glaubhaften Geständnisses nur mit maximal einem Jahr Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung zu rechnen habe. Weitere Einzelheiten erfuhr er nicht. Der Verteidiger legte daraufhin für seinen Mandanten das Geständnis ab und das Amtsgericht (AG) verurteilte diesen wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei zu dem genannten höchsten Strafmaß. Später legte der Angeklagte hiergegen Sprungrevision zum Oberlandesgericht (OLG) ein. Zur Begründung führte er aus, er hätte mehr über die Inhalte des Gesprächs zur Verständigung wissen müssen. Das OLG verwarf die Revision als unbegründet. Hiergegen richtete sich seine Verfassungsbeschwerde.

BVerfG: Angeklagter muss den Inhalt des Gesprächs über Verständigung kennen

Das BVerfG befand nun, das OLG habe Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) nicht hinreichend berücksichtigt. Dieser Grundsatz müsse aber bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Verständigung im Strafprozess beachtet werden.

Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 StPO, in dem es heißt: „Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen (…) stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.“

Der Inhalt des Gesprächs unterliege dieser Mitteilungspflicht. Der Strafrichter habe jedoch den wesentlichen Inhalt des Verständigungsgesprächs nicht vollständig wiedergegeben. Er hätte mitteilen müssen, welche Standpunkte die einzelnen Gesprächsteilnehmer vertraten, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei den anderen auf Zustimmung oder Ablehnung stieß. Diese Informationen hätten Aufschluss über die innere Haltung und Einstellung von Gericht und Staatsanwaltschaft gegeben. Dies hätte es dem Angeklagten leichter gemacht, seine persönliche Situation im Verfahren besser einzuschätzen, verteidigungsrelevante Schlüsse zu ziehen und eine informierte Entscheidung zu treffen.

Die Sache wird an das OLG zurückverwiesen.

Die Entscheidung des BVerfG zum Nachlesen