Anwaltswerbung

Anwalt wegen Versendens von Porno-Bildern ans Gericht verurteilt

Weil er im Rahmen eines Prozesses um die Grenzen anwaltlicher Werbung pornographisches Material einbrachte, wurde ein Anwalt verurteilt.

11.07.2024Rechtsprechung

Ein Kölner Rechtsanwalt ist wegen Verbreitung pornografischer Schriften nach § 184 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden. Er hatte im Rahmen eines berufsrechtlichen Prozesses ohne Anlass pornographisches Material an das Gericht versendet. Zu seiner Verteidigung hatte er u. a. vorgetragen, damit seinen rechtlichen Standpunkt zu der Frage unterstreichen zu wollen, ab wann Bildmaterial sexistisch sei
(LG Köln, Urt. v. 24.01.2024, Az. 155 NBs 85/23 74 Js 6/20).

Debatte über die Grenzen der anwaltlichen Werbung

Der Rechtsanwalt hatte bereits in diversen berufsrechtlichen Verfahren versucht, die bestehenden anwaltlichen Werbeverbote, insbesondere das Sachlichkeitsgebot, aufzuweichen. Zwischen 2013 und 2015 hatte er Kalender mit Fotos von leicht bekleideten Frauen verteilt und dabei auf seine Kanzlei hingewiesen. Es kam deshalb zu mehreren Verfahren wegen unsachlicher Werbung, das zuständige Anwaltsgericht sah darin eine Verletzung von §§ 43 b BRAO, 6 Abs. 1 BORA. Diese Form der Werbung lasse keine sachliche Unterrichtung des Mandanten über die berufliche Tätigkeit erkennen, vielmehr würden hier bewusst Frauen als Sexualobjekte in den Vordergrund gerückt.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens versuchte der Anwalt nun, seinen Standpunkt dazu, was als sexistisch,  anzusehen sei, deutlich zu machen. Ohne Aufforderung versendete er daraufhin zahlreiches explizit pornographisches Bildmaterial per beA an das Gericht. Hierzu schrieb er: „…Dies hier dürfte z.B. als sexistisch gelten. […] Frauen werden zu Objekten herabgestuft dargestellt. […] ich benötige Anschauungsmaterial, um meinen Punkt zu machen.“ Die Bilder hatte er beliebig aus dem Internet ausgewählt. Im Rahmen des weiteren Prozesses kamen weder der Anwalt noch das Gericht wieder darauf zu sprechen. Die Kalender wurden letztlich als unzulässige Werbung eingestuft. Fünf Jahre später leitete die Generalstaatsanwaltschaft Köln ein Strafverfahren ein.  

Zu seiner Verteidigung führte der Anwalt aus: Er habe mit den kontrastierenden Bildern lediglich eine berufspolitische Diskussion darüber entfachen wollen, was wirklich sexistisch sei und dass seine Kalenderbilder es nicht seien. Die Bilder seien schon keine pornographischen Schriften, schließlich sei es nur um ein anwaltsgerichtliches Verfahren gegangen und nicht um sexuelle Stimulation. Außerdem würden Angehörige von Behörden nicht dem Schutzbereich des § 184 StGB unterfallen. Die Vorschrift wolle keine Amtspersonen schützen, die sich nicht aussuchen könnten, womit sie konfrontiert würden. Zudem könne Material nur „ohne Aufforderung“ in ein Verfahren eingebracht werden – müsse er vorher nachfragen, wäre sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Jedenfalls habe man ihm gesagt, er dürfe alles zu Zwecken der Verteidigung einbringen, damit liege zumindest ein konkludentes Einverständnis mit der Vorlage des Bildmaterials vor. Schließlich sei die Vorlage der Bilder als Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt – er könne sich auf die Kunst- und Meinungsfreiheit berufen. Sofern er irre, handele es sich um einen Erlaubnistatbestandsirrtum.

Urteil: Die Grenzen wurden hier überschritten

Das Landgericht verurteilte ihn dennoch wegen Verbreitung pornografischer Schriften nach § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB. Es habe sich eindeutig um pornographische Bilder gehandelt, auch wenn sie in einen Anwaltsschriftsatz eingefügt waren. Der Anwalt habe sie willkürlich ausgewählt und ohne konkreten Sachbezug in den Schriftsatz aufgenommen und ohne sich mit diesen konkreten Bildern argumentativ auseinanderzusetzen.

Die im Verfahren beteiligten Richter bzw. Justizangehörigen stünden nicht per se außerhalb des Schutzbereichs der Norm. Der Konfrontationsschutz gelte zwar nicht für Inhalte, die den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens bildeten – wie in vorliegender Strafsache. Sich außerhalb solcher Fallgestaltungen generell mit pornografischen Inhalten konfrontieren lassen müssten sich Amtspersonen aber nicht. Eine Aufforderung zum Versenden habe es nicht gegeben.

Sein Verhalten sei auch nicht als Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB gerechtfertigt. Auf die Kunstfreiheit könne er sich schon nicht berufen, wohl aber auf seine Meinungsfreiheit und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Zwar könne scharfe, selbst standeswidrige Interessenvertretung berechtigt sein. Nicht aber, wenn sie – wie hier - völlig sachwidrig sei. Die Justizangestellten hätten zudem berechtigtes Interesse daran hat, von der Konfrontation mit pornografischen Inhalten verschont zu bleiben. Schließlich sei keine Argumentation zu dem Bildmaterial erfolgt, dessen Auswahl zudem völlig beliebig gewesen sei. Das Material sei für die Argumentation auch „völlig ungeeignet“ und „völlig unnötig“ gewesen, um seinen Rechtsstandpunkt zu verdeutlichen, so das LG Köln weiter. Er hätte auf das im Internet verfügbare Material auch verbal eingehen können.  

Auf einen Irrtum kann sich der Rechtsanwalt nicht berufen

Der Rechtsanwalt habe immerhin die Umstände des Falles richtig erkannt und somit zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. Ein den Vorsatz ausschließender Erlaubnistatbestandsirrtum komme hier nicht in Betracht. Das LG glaubte dem Anwalt zwar, dass er an eine mögliche Strafbarkeit seines Verhaltens nicht gedacht hatte. Dieser Verbotsirrtum sei für ihn jedoch vermeidbar gewesen im Sinne von § 17 Satz 2 StGB. Er hätte sich über die Grenzen der ihm dem Grunde nach bekannten Gesetze informieren, ggf. den „den Rat von im Strafrecht versierten Kollegen“ einholen oder jedenfalls eine dezidierte Prüfung anhand der Fachliteratur vornehmen müssen. 

Die Kammer hatte zwar erwogen, ob es ausreicht, den Anwalt nur zu verwarnen und die Geldstrafe vorzubehalten oder gar gänzlich von Strafe abzusehen, § 59 StGB. Der Rechtsanwalt aber hatte darauf beharrt, sich rechtmäßig verhalten zu haben. Er habe zudem „nicht einmal andeutungsweise“ versichert, sich ab sofort verstärkt um die Prüfung der Grenzen zulässigen Vorbringens zu bemühen. Es fehle somit an einem hinreichenden Anlass, zu erwarten, dass sich dergleichen Vorgänge künftig auch ohne Verurteilung zu Strafe nicht wiederholen werden. Vor diesem Hintergrund habe die Kammer ein unmissverständliches Signal an den Angeklagten für erforderlich gehalten.