Arbeitnehmer-Überwachung

Video auch bei Datenschutzverstoß in Kündigungsstreit verwertbar

Soll die Aufzeichnung aus einer offenen Videoüberwachung vorsätzliches vertragswidriges Verhalten belegen, ist sie im Prozess verwertbar, so das BAG.

05.07.2023Rechtsprechung

In einem Kündigungsschutzprozess besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen, so das Bundesarbeitsgericht (BAG). Das gelte auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht (Urt. v. 29.06.2023, Az. 2 AZR 296/22).

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Kündigungsschutzprozess ging es um die Frage, ob die Erkenntnisse aus einer offenen Videoüberwachung verwertbar sind. Der ehemalige Arbeitgeber hatte über die Aufzeichnung einer Kamera Belege dafür gefunden, dass sein ehemaliger Mitarbeiter eine sog. Mehrarbeitsschicht nicht geleistet hatte. Diese wollte er aber gleichwohl vergütet bekommen. Der ehemalige Teamsprecher einer Gießerei habe zwar an besagtem Tag zunächst das Werksgelände betreten, dieses aber noch vor Schichtbeginn wieder verlassen. Das ergaben die Aufzeichnungen einer am Tor zum Werksgelände angebrachten Videokamera, deren Auswertung auf einen anonymen Hinweis hin erfolgt war. Die Kamera war durch ein Piktogramm ausgewiesenen und auch sonst nicht zu übersehen. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

Der Ex-Angestellte erhob dagegen Kündigungsschutzklage. Er machte geltend, er habe an besagtem Tag durchaus gearbeitet. Die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung unterlägen einem Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot und dürften daher im Kündigungsschutzprozess nicht berücksichtigt werden. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision des Ex-Arbeitgebers hatte allerdings vor dem BAG Erfolg. Sie führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen.

BAG: Aufzeichnungen aus Videoüberwachung im Prozess verwertbar

Dieses müsse nicht nur das Vorbringen des Arbeitgebers zum Verlassen des Werksgeländes zu Grunde legen, sondern ggf. auch die betreffende Bildsequenz aus der Videoüberwachung in Augenschein nehmen. Dies folge aus den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts sowie des nationalen Verfahrens- und Verfassungsrechts.

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprochen habe. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, wäre es für die Arbeitsgerichte nicht ausgeschlossen, die personenbezogenen Daten des Mannes zu verarbeiten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Datenerhebung wie hier offen erfolgt sei und vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers in Rede stehe. In einem solchen Fall sei es grundsätzlich irrelevant, wie lange der Arbeitgeber gewartet habe, das Bildmaterial anzuschauen und dass er es bis dahin vorgehalten habe.

Der Senat konnte offenlassen, ob ausnahmsweise aus Gründen der Generalprävention ein Verwertungsverbot in Bezug auf vorsätzliche Pflichtverstöße in Betracht komme, wenn die offene Überwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellt. Das sei vorliegend nicht der Fall gewesen.