Trotz Cannabis-Legalisierung: EncroChat-Beweise weiter verwertbar
Laut BGH komme es im Hinblick auf die Verwertbarkeit von Beweisen aus internationalen Ermittlungen auf den Rechtszustand bei der Datenanforderung an.
Die aus den EncroChat-Ermittlungserfolgen gewonnenen Daten dürfen auch dann weiter als Beweise in Strafprozessen verwertet werden, wenn sie sich auf eine Straftat beziehen, die im Rahmen der Cannabis-Teillegalisierung vom Verbrechen zum Vergehen herabgestuft wurde. Maßgeblich sei der Rechtszustand bei der Datenanforderung – eine spätere Änderung der rechtlichen Bewertung ändere nichts daran, dass einmal rechtmäßig erlangte Daten verwertbar blieben. Einige Gerichte hatten dies anders beurteilt (Urt. v. 30.01.2025, Az. 5 StR 528/24).
Verurteilung wegen Cannabis-Delikt auf Basis von Encro-Chat-Beweisen
Französische Ermittler hatten im Jahr 2020 herausgefunden, dass sichergestellte Kryptohandys des Anbieters EncroChat vornehmlich zu Zwecken des organisierten Drogenhandels verwendet wurden. Nachdem es ihnen gelungen war, an die verschlüsselten Nachrichten zu kommen, wurden die Daten auf der Grundlage einer Europäischen Ermittlungsanordnung (EEA) an deutsche Ermittlungsbehörden weitergeleitet worden. Dies hatte auch in Deutschland zur Überführung und Verurteilung zahlreicher Drogenkrimineller geführt.
Im hier verhandelten Fall hatte das Landgericht den Angeklagten, der mittels eines solchen EncroChat-Handys kommuniziert hatte, zwar wegen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Ecstasy-Tabletten und Kokain) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Wegen des Vorwurfs des Handels mit Cannabisprodukten hatte das Gericht ihn jedoch freigesprochen, weil die EncroChat-Daten wegen einer Gesetzesänderung nicht mehr als Beweismittel verwertbar seien.
Hintergrund dieser Entscheidung ist die Cannabis-Legalisierung im Jahr 2024: Die vorgeworfenen Taten waren früher nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) als Verbrechen strafbar, stellen jetzt aber nach § 34 Abs. 1 und 3 Konsumcannabisgesetz (KcanG) lediglich Vergehen dar, die milder bestraft werden können. Nach dem Grundsatz des Vorrangs milderen Rechts
(§ 2 Abs. 3 StGB) sei deshalb in vor dem 1. April 2024 begangenen "Alt"-Fällen des Cannabishandels zumeist das neue Recht als milderes Recht anzuwenden, so der BGH.
Das LG meinte nun, die Beweise könnten jetzt nicht mehr verwertet werden, da wegen bloßer Vergehen eine gravierende Ermittlungsmaßnahme wie eine Online-Durchsuchung (§ 100b StPO) nicht mehr zulässig sei. Schließlich habe der BGH die zulässige Beweisverwertung in seiner Grundsatzentscheidung (Urt. v. 25.03.2022, Az. 5 StR 457/21) u.a. damit begründet, dass der erhebliche Drogenhandel als besonders schwere Straftat im Katalog des § 100b Abs. 2 StPO enthalten sei. Aus der Herabstufung des Handels mit Cannabis zum bloßen Vergehen hatten auch einige Oberlandesgerichte ein Beweisverwertungsverbot in Cannabis-Fällen abgeleitet; dem war das LG gefolgt.
BGH: EncroChat-Beweise bleiben in Alt-Fällen von Cannabisdelikten verwertbar
Das sah der BGH nun anders und entschied, dass die damals gewonnene Beweise trotz der Gesetzesänderung weiterhin verwertbar seien. Dies richte sich nach deutschem Recht, auch wenn es hier um französische Ermittlungen ging. Rechtsgrundlage für die Verwertung solcher Daten in der Hauptverhandlung sei § 261 StPO – der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Es komme dabei lediglich auf die Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung an, wobei der Rechtszustand bei Datenanforderung maßgeblich sei. Schon nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gelte, dass eine Änderung der rechtlichen Bewertung einer Tat im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht zu einer Unverwertbarkeit rechtmäßig erlangter Daten führe.
Dem liege auch der Gedanke zugrunde, dass ein Verwertungsverbot außerhalb von gesetzlich geregelten Beweisverwertungsverboten nur in Ausnahmefällen und nur in Fällen unrechtmäßig erlangter Daten in Betracht komme. Damals seien die Daten jedoch rechtmäßig von Frankreich nach Deutschland übermittelt worden, weil zum einen die europäischen Vorgaben zur Datenübermittlung eingehalten worden waren, zum anderen die angeklagten Taten eben als Verbrechen strafbar gewesen seien. Diese Bewertung stehe auch im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG. Zudem sei es vorliegend auch nicht um Bagatelltaten gegangen, sondern um den Handel mit Cannabisprodukten in größeren Mengen.
Die Sache muss deshalb, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist, unter Beachtung der Rechtsauffassung des BGH, neu verhandelt und entschieden werden.
Weiterführende Links:
BVerfG entscheidet: EncroChat-Daten dürfen verwendet werden, Artikel v. 05.12.2024
Podcast: "Shopping im Darknet, Encrochat, und Heiratsanträge vor Gericht",
(R)ECHT INTERESSANT! Folge 54, 2022