Anwaltshonorar

BGH: Stundenhonorar nicht mit RVG-Vergütung kombinierbar

Der BGH hat klargestellt, dass Stundenhonorare per AGB grundsätzlich zulässig sind – aber auch, wann ihre Gestaltung missbräuchlich ist.

30.09.2024Rechtsprechung

Der BGH hat in einem grundlegenden Urteil gleich mehrere wichtige Aspekte zur anwaltlichen Vergütung klargestellt: Wenn Anwältinnen und Anwälte per AGB ein Stundenhonorar vereinbaren, ohne vor Vertragsschluss Informationen zur absehbaren Gesamtvergütung zu geben oder sich zu Zwischenrechnungen zu verpflichten, so sei dies zwar europarechtswidrig und intransparent. Dennoch führe dies nicht dazu, dass eine Vergütungsabrede missbräuchlich und damit unwirksam wäre.

Allerdings seien folgende Klauseln unwirksam:

  • Die Verbindung eines Stundenhonorars mit RVG-Gebühren (Einigungsgebühr neben Stunden- und Grundgebühr).

  • Eine Klausel, nach welcher der vereinbarte Stundensatz sich abhängig vom Streitwert schrittweise um jeweils 10 Euro erhöht.
  • Eine Auslagenpauschale, die sich prozentual an dem Stundensatz bemisst (5 %).
  • Eine Klausel, nach der Rechnungen als anerkannt gelten, wenn die Mandantinnen und Mandanten nicht innerhalb von drei Wochen substantiiert widersprechen.
  • Eine Klausel, wonach die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bei Streit über das Honorar auf einer anderen Basis abrechnen können.

Die Unwirksamkeit solcher einzelnen Klauseln führte laut BGH zur Unwirksamkeit der Preisabrede im Ganzen. Mit der Folge, dass die Anwältinnen und Anwälte lediglich auf Basis des RVG abrechnen können. Auf dieser Basis könne er keine höhere Vergütung verlangen als ihm auf Basis der – nunmehr unwirksamen – Preisabrede zugestanden hätten (Urt. v. 12.09.2024, Az. IX ZR 65/23).

Im vorliegenden Fall bestand Streit über eine Anwaltsrechnung i.H.v. über 130.000 Euro. Der Mandant berief sich darauf, dass die Preisabrede unwirksam sei. Der BGH gab ihm im Ergebnis Recht – mit einer detaillierten Begründung:

Anwältinnen und Anwälte dürfen Stundenhonorar per AGB vereinbaren

Zunächst stellten die Karlsruher Richterinnen und Richter klar, dass die Vereinbarung eines Stundenhonorars nicht deshalb unwirksam sei, weil sie durch AGB erfolgt sei. Verbraucherinnen und Verbraucher würden hier nicht unangemessen benachteiligt.

Nichts anderes ergebe sich aus dem EuGH-Urteil vom 12. Januar 2023 (C-395/21). Danach verstoße es zwar gegen EU-Recht, wenn dem Mandanten nicht vor Vertragsschluss Informationen zur absehbaren Gesamtvergütung gegeben würden oder sich der Anwalt zu Zwischenrechnungen verpflichtet habe. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall auch tatsächlich nicht eingehalten worden; insofern sei die Klausel intransparent.

Dies führe jedoch nicht zu einer Unwirksamkeit der entsprechenden Klausel nach nationalem Recht. Zur Intransparenz hinzukommen müsse eine einseitige Vertragsgestaltung, um missbräuchlich die eigenen Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen. So liege der Fall hier aber nicht. Schließlich müsse die Kanzlei im Falle eines Streits den genauen Zeitaufwand nachweisen, sodass mögliche Missbrauchsmöglichkeiten der Anwältinnen und Anwälte eingeschränkt seien.

Unwirksame Klauseln

Im Einzelnen erachtete der BGH die Klauseln der Preisabrede jedoch durchweg als unwirksam gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB – aus folgenden Gründen:

  • Verbindung eines Stundenhonorars mit RVG-Gebühren: Das System der RVG-Gebühren sei weitestgehend entkoppelt vom konkreten Bearbeitungsaufwand – anders als die Honorierung nach Stundenlohn. Einigungsgebühren seien im RVG-System dazu da, die Mehrbelastung durch eine Einigung separat zu vergüten. Dies sei aber nicht angemessen, wenn der Anwalt bzw. die Anwältin sich bereits jeden angefallenen Zeitaufwand habe vergüten lassen.
  • Erhöhungsklausel: Indem der Stundensatz mit höherem Streitwert ebenfalls steige, entziehe sich dem Mandanten die Möglichkeit, den tatsächlichen Stundensatz zu berechnen. Schließlich würden Streitwerte oft geschätzt – letztlich auch von Anwältinnen und Anwälten. Daher bestehe ein hohes Missbrauchspotenzial. Im konkreten Fall hatte sich durch die Erhöhung des Stundensatzes um vermeintlich moderate 10 Euro pro Stunde je angefangene 50.000 Euro Streitwert (ab 250.000 Euro) dergestalt ausgewirkt, dass am Ende statt des Grundhonorars von 245 Euro ganze 650 Euro pro Stunde zu zahlen waren. Hier stünden Leistung und Gegenleistung nicht mehr im Einklang, so der BGH.
  • Auslagenpauschale als Prozentsatz des Stundenhonorars: Durch die vereinbarte Auslagenpauschale erhöhe sich der Stundensatz um 5 %, ohne dass erkennbar wäre, dass mit jeder Arbeitsstunde durchschnittlich entsprechende Auslagen verbunden wären. Dies sei intransparent und benachteilige Mandantinnen und Mandanten unangemessen.
  • Streit- und Anerkenntnisklausel: Beide Bestimmungen zielten schon für sich genommen, erst recht aber in ihrem Zusammenwirken darauf ab, dem Mandanten die Erhebung von Einwänden gegen den abgerechneten Zeitaufwand zu erschweren, so der BGH.

Folge der Unwirksamkeit

Die Unwirksamkeit einzelner Klauseln führe jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Anwaltsverträge insgesamt. Sie habe zur Folge, dass die Anwältinnen und Anwälte nur noch nach dem RVG abrechnen können.   

Weil der Fall nicht zur Entscheidung reif war, wurde er ans Berufungsgericht zurückverwiesen. Dabei gab der BGH folgende Hinweise mit auf den Weg: Den Anwältinnen und Anwälten stünden auf Basis des RVG keine höhere Vergütung zu als diejenige, welche sich aus den Honorarvereinbarungen ergäbe. Um dies sicherzustellen, werde das OLG auch Letztere zu bestimmen und der ermittelten gesetzlichen Vergütung gegenüberzustellen haben. Dabei werde das Berufungsgericht „in seine Überlegungen einzubeziehen haben, inwieweit die eine Erhöhung des vereinbarten Stundensatzes bewirkenden Klauseln auch bei isolierter Betrachtung der jeweiligen Klauseln unwirksam sind.“ Sprich: Die unwirksamen Erhöhungsklauseln dürfen bei dem Vergleich voraussichtlich nicht berücksichtigt werden, sondern lediglich die zulässige Grundgebühr von 245 Euro.

Weiterführende Informationen:

EuGH, Urt. v. 12.01.2023 - C-395/21, BRAK-Mitt. 2023, 173 ff. mit Anm. Kunze

Nachr. aus Berlin 9/2024 v. 2.5.2024