Öffentlichkeitsgrundsatz

BVerwG: Ort des Folgetermins muss nicht extra angekündigt werden

Anders als im Arbeitsrecht sei es im Verwaltungsverfahren zumutbar, beim Pförtner oder der Geschäftsstelle nach dem Ort einer Verhandlung zu fragen.

13.11.2023Rechtsprechung

Damit eine Verhandlung als öffentlich i.S.d. § 169 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) gilt, genügt es, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeiten von der mündlichen Verhandlung Kenntnis zu verschaffen, und dass der Zutritt im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten eröffnet ist. Mit diesem Leitsatz hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eine Beschwerde zurückgewiesen, die sich darauf stützen wollte, dass der Ort der Verhandlung nirgendwo veröffentlicht worden war (Beschl. v. 19.09.2023, Az. 9 B 14.23).

Im konkreten Fall ging es um einen Planfeststellungsbeschluss zu einer Umgehungsstraße, gegen die eine Umwelt- und Naturschutzvereinigung vorgehen wollte. Am ersten Verhandlungstag wurde die Fortsetzung des Verfahrens am nächsten Tag vereinbart. Doch weder fand sich auf der Internetseite ein Hinweis auf den Ort der Folgeverhandlung, noch gab es sonst irgendeinen Hinweis im Gerichtsgebäude. Letzteres beruhte auf dem Versehen der Geschäftsstelle, die normalerweise solche Termine an der elektronischen Termintafel im Foyer des Gerichtsgebäudes und an der elektronischen Anzeigetafel neben der Eingangstür zum Sitzungssaal anzeigen lasse.

Die Vereinigung wollte gegen das abweisende Urteil und die Nichtzulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorgehen. Sie rügte einen Verstoß gegen § 55 VwGO i. V. m. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG (Öffentlichkeit der Verhandlung).

BVerwG: Öffentlichkeitsgrundsatz schwächer als im Arbeitsrecht

Damit hatte sie vor dem BVerwG jedoch keinen Erfolg. Dem Grundsatz der Öffentlichkeit sei Genüge getan worden. Eine Verhandlung sei bereits öffentlich, wenn sie in Räumen stattfinde, die während der Dauer der mündlichen Verhandlung auch tatsächlich für jedermann zugänglich seien und zudem jedermann die Möglichkeit habe, sich ohne besondere Schwierigkeiten davon Kenntnis zu verschaffen. Eine an jedermann gerichtete Bekanntgabe, wann und wo eine Gerichtsverhandlung stattfinde, – etwa durch einen Aushang - sei nicht nötig. Ebensowenig müsse ein Termin auf der Homepage angekündigt werden. Dies sei nur ein zusätzlicher Service. Im Übrigen erfasse § 169 GVG keinen Schutz des Vertrauens in Terminankündigungen.

Zwar wies das BVerwG darauf hin, dass das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine strengere Auffassung vertritt. Danach brauche es zur Wahrung des Grundsatzes der Öffentlichkeit grundsätzlich einen Hinweis am Eingang des Sitzungssaales. Bei der Gerichtspforte oder auf der Geschäftsstelle nachzufragen, hält das BAG für unzumutbar (Beschl. v. 22.09.2016, Az. 6 AZN 376/16). Allerdings argumentiere das BAG hier selbst mit der besonderen Strenge der Öffentlichkeitsvorschriften in arbeitsgerichtlichen Verfahren. Konkret hatte das BAG geschrieben, „soweit der Bundesfinanzhof für das finanzgerichtliche Verfahren (seit 24.08.1990, Az. X R 45-46/90) und das Bundessozialgericht für das sozialgerichtliche Verfahren (28.03.2000, Az. B 8 KN 7/99 R) eine abweichende Auffassung vertreten, beruhe dies darauf, dass das Prinzip der Öffentlichkeit in diesen Verfahrensordnungen abgeschwächt sei. Diese abgeschwächte Funktion des Öffentlichkeitsprinzips sah das BVerwG nun auch in verwaltungsgerichtlichen Verfahren.