Stellungnahme der BRAK

Digitale Zukunft für die Justiz: BRAK unterstützt Erprobung des Online-Verfahrens

Das BMJ will den Zivilprozess digitaler machen. Die BRAK sieht großes Potenzial in der Digitalisierung der Zivilgerichtsbarkeit, befürwortet die Erprobung des Online-Verfahrens, warnt jedoch vor möglichen Risiken und fordert notwendige Anpassungen.

Bild der ersten Seite der Stellungnahme

 

16.07.2024 | Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat am 12. Juni 2024 den
Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit“ veröffentlicht. Damit soll an einzelnen Gerichten ein Online-Verfahren getestet werden, mit dem Zahlungsansprüche von (derzeit) bis zu 5.000 Euro in einem digitalen Gerichtsverfahren geltend gemacht werden können. Die BRAK hat dazu eine Stellungnahme veröffentlicht.

Grundsätzlich spricht sich die BRAK für die Erprobung des Online-Verfahrens an einzelnen Zivilgerichten aus – verspricht sie doch die deutliche Beschleunigung von Verfahren und einen erleichterten Zugang zum Recht. Auch, dass die Gesetzgebung zur Erprobung nun in einem neu geschaffenen 12. Buch der ZPO regelt werden soll, erscheint klug und stimmig.

Begrüßt wird auch, dass eine Kommunikationsplattform über ein Justizportal des Bundes und der Länder eingeführt werden soll, mit der der Austausch zwischen dem Gericht und den Parteien verbessert werden soll – und zu diesem Ziel auch von der Anwaltschaft von Beginn an genutzt werden kann.

Entscheidend für die BRAK ist, dass die Anwaltschaft frühzeitig in die Konzipierung des Online-Verfahrens einbezogen wird, vor allem bei der vorgesehenen digitalen Klageeinreichung. Dabei befürwortet die BRAK, dass das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) vom Gesetzentwurf dazu berücksichtigt wurde.

An einzelnen Punkten sieht die BRAK jedoch auch Nachbesserungsbedarf

Nach Ansicht der BRAK sollte das Gericht auf nicht die mündliche Verhandlung verzichten können, wenn eine oder gar beide Parteien dagegen sind. Auch sollten die Parteien eine Möglichkeit haben, sich nicht nur für die Durchführung des Online-Verfahrens zu entscheiden, sondern sich nach dessen Beginn auch für ein „herkömmliches“ Verfahren entscheiden können.

Hinsichtlich der Beweisaufnahme warnt die BRAK vor einer Abkehr vom Beibringungsgrundsatzes und dem Prinzip der Parteiöffentlichkeit, die wesentliche Grundsätze des Zivilprozesses darstellen: Nach dem Gesetzentwurf könnte das Gericht auch Auskünfte aus allgemein zugänglichen Quellen abrufen und die Beweisaufnahme mittels Fernkommunikationstechnik durchführen. Die BRAK spricht sich dagegen aus, dass hierbei vom Recht der Parteien auf Beiwohnung der Beweisaufnahme abgewichen wird.

Einzelne weitere Regelungsvorschläge bringt die BRAK zu den Fragen des Schriftformersatzes bei der Nutzung der vorgesehenen Kommunikationsplattform, bei der Verwendung und Bereitstellung strukturierter Datensätze im Online-Verfahren, bei der vorgesehenen Benachrichtigung der Beteiligten, bei den Neuregelungen zur Zustellung, sowie bei der Identifizierung und Authentifizierung an den Systemen an.

Die digitale Strukturierung, die der Entwurf vorsieht, ist zunächst nicht zu beanstanden – soweit das Gericht keine weitergehenden Anordnungen treffen kann, als es schon nach jetziger Rechtslage gem. § 139 ZPO kann. Ein digitales Verfahren ganz ohne Strukturierung ist schwer vorstellbar. Dies darf aber in keinem Fall dazu führen, dass die Parteien in der Freiheit ihres Sachvortrags gehindert werden, worauf die BRAK in ihrer Stellungnahme deutlich hinweist.