BVerfG zu Covid-19

Einrichtungsbezogene Impfpflicht verfassungskonform

Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen müssen eine Impfung gegen das Coronavirus nachweisen. Der Schutz vulnerabler Menschen rechtfertige das.

20.05.2022Rechtsprechung

Seit dem 15. März 2022 müssen Personen, die in bestimmten Einrichtungen oder Unternehmen des Gesundheitswesens und der Pflege tätig sind, einen Nachweis darüber vorlegen, dass sie vollständig gegen Covid-19 geimpft oder davon genesen sind (sog. einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht). Wie das Bundesverfassungsgericht nun entschieden hat, verstößt diese Pflicht nicht gegen die Verfassung (BVerfG, Beschl. v. 26.04.2022, Az. 1 BvR 2649/21).

Damit wies das Gericht eine Verfassungsbeschwerde von Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich zurück. Diese hatten sich mit ihrer Beschwerde gegen entsprechende Regelungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) wie § 20a IfSG gewehrt und die Verletzung von Grund- und grundrechtsgleichen Rechten wie der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG)) und der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) gerügt.

Schutz vulnerabler Personen überwiegt

Das BVerfG bejaht hingegen zwar einen Eingriff sowohl in die körperliche Unversehrtheit als auch in die Berufsfreiheit, erklärt diesen aber wie schon in den Eilverfahren zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht für verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Eine Covid-19-Impfung setze zwar eine vorherige, nach ärztlicher Aufklärung erteilte Einwilligung voraus. Die Entscheidung gegen eine Impfung sei mit nachteiligen Konsequenzen wie Bußgeldbescheiden oder einem zwangsläufigen Arbeitsplatzwechsel verbunden. Die Impfentscheidung sei daher von äußeren Faktoren und Zwängen bestimmt, was einen Eingriff in das Grundrecht bedeute.

Die einrichtungsbezogene Impflicht sei aber zum Schutz vulnerabler Personengruppen beschlossen worden. Bedingt durch deren Gesundheitszustand oder Alter bestehe für diese nach wie vor ein höheres Risiko, an Covid-19 zu erkranken. Somit verfolge der Gesetzgeber mit der Regelung einen legitimen Zweck.

Es sei auch die Pflicht des Gesetzgebers, sich schützend vor das Leben und die körperliche Unversehrtheit der vulnerablen Gruppen zu stellen. Mit Verweis auf eine deutliche fachwissenschaftliche Mehrheit betont das BVerfG, dass sich Geimpfte und Genesene seltener infizieren und daher das Virus auch seltener übertragen können. Schwerwiegende Nebenwirkungen oder gravierende Folgen der Impfung seien dagegen sehr selten und würden stetig vom Paul-Ehrlich-Institut überwacht.

Nicht-Pflege-Personal kann auch ungeimpft woanders arbeiten

Eine geringe Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung stehe damit einer weit höheren Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegenüber, so die Karlsruher Richterinnen und Richter. Die Interessen des Gesundheits- und Pflegepersonals müssten daher zurücktreten.

Bezüglich der Berufsfreiheit merkt das BVerfG weiter an, dass bspw. das Verwaltungs-, Reinigungs- und Küchenpersonal in den medizinischen Einrichtungen zwar von der Impflicht erfasst werde, aber seine Tätigkeit auch an einem anderen Arbeitsort ausüben könne, der nicht der Impflicht unterliege. Demgegenüber könnten etwa Ärztinnen und Ärzte oder das Pflegepersonal nicht den Arbeitsplatz wechseln, um der Impflicht zu entkommen. Diese hätten aber eine besonders große Verantwortung gegenüber den schutzbedürftigen vulnerablen Personen.