Entgelttransparenzgesetz

Diskriminierung? Ein männlicher Kollege zum Vergleich reicht

Klagen Frauen auf gleichwertige Bezahlung wie ihre männlichen Kollegen, müssen sie nur einen Mann finden, der mehr verdient.

29.10.2025Rechtsprechung

Das BAG hat entschieden, dass Frauen nur einen männlichen Kollegen zum Vergleich heranziehen müssen, der mehr als sie für dieselbe Arbeit verdient, um auf mehr Lohn zu klagen. In diesem Fall müsse der Arbeitgeber den Lohnunterschied mit objektiven Kriterien begründen. Gelinge dies nicht, habe die Frau einen Anspruch auf dieselbe Bezahlung wie der männliche Kollege. Damit ist die Rechtsauffassung der Vorinstanz, dass Frauen als Vergleichsgruppe nur den Median aller männlichen Mitarbeiter in derselben Hierarchieebene heranziehen könnten, überholt (Urt. v. 23.10.2025, Az. 8 AZR 300/24).

Daimler-Mitarbeiterin sieht sich diskriminiert

Eine Abteilungsleiterin, die seit fast 30 Jahren bei der Daimler AG tätig ist, davon 15 Jahre in leitender Position, hatte ihren Arbeitgeber Daimler Truck verklagt. Seit ihrer Rückkehr aus der Elternzeit verdiente sie deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen auf gleicher Ebene. Daher begehrte sie rückwirkend die finanzielle Gleichstellung nach dem Entgelttransparenzgesetz – insgesamt in Höhe von 420.000 Euro. Zur Begründung ihrer Ansprüche hatte sie sich u. a. auf Angaben der Firma in einem sog. Dashboard gestützt, welches im Intranet der Erteilung von Auskünften im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes dient.

Das Besondere an dem Fall war aber: Die Frau hatte sich nicht mit allen männlichen Mitarbeitern auf dieser Hierarchieebene verglichen, sondern nur mit einem ganz bestimmten, dem Spitzenverdiener. Das Gehalt dieses Kollegen liegt aber über dem Medianentgelt aller in derselben Hierarchieebene angesiedelten männlichen Arbeitnehmer.

Daimler hatte geltend gemacht, dass der zum Vergleich herangezogene Kollege nicht die gleiche oder gleichwertige Arbeit wie die Mitarbeiterin verrichte. Zudem beruhe die unterschiedliche Entgelthöhe darauf, dass die Frau schlechter arbeite. Aus diesem Grund werde sie auch schlechter als der Median ihrer weiblichen Kolleginnen bezahlt.

Rechtlicher Hintergrund

Männer und Frauen haben bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit Anspruch auf gleiches Entgelt. Dies ergibt sich bereits aus EU-Recht, u. a. in Art. 157 AEUV und der noch umzusetzenden EU-Entgelttransparenz-Richtlinie.

Konkrete Ansprüche auf gleichwertige Bezahlung ergeben sich in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten indirekt aus §§ 3 und 7 des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG). Das einzige Problem: Laut den §§ 10ff EntgTranspG haben Frauen keinen Anspruch, das konkrete Gehalt eines Kollegen zu erfahren, sondern nur das Recht, den Median (Mittelwert) der Gehälter von männlichen und weiblichen Beschäftigten mit gleicher oder gleichwertiger Arbeit zu erhalten. Die konkreten Gehälter der Kollegen müssen klagende Frauen daher auf anderem Weg erfahren.

Schafft es die Mitarbeiterin jedoch, Indizien vorzutragen, die eine wegen des Geschlechtes diskriminierende Bezahlung vermuten lassen, ergibt sich zudem aus § 22 AGG eine Beweislastumkehr: Der Arbeitgeber trägt dann die Beweislast dafür, dass keine Diskriminierung vorlag.

LAG: Nur der Median der männlichen Kollegen

Das LAG Baden-Württemberg hat die Klage der Frau zunächst weitestgehend abgewiesen (Urt. v. 01.10.2024, Az. 2 Sa 14/24). Es hat insoweit angenommen, die Frau könne sich für die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung nicht auf eine einzige Vergleichsperson des anderen Geschlechts berufen. Angesichts der Größe der männlichen Vergleichsgruppe und der Medianentgelte beider vergleichbarer Geschlechtergruppen bestehe keine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung und damit kein Indiz iSv. § 22 AGG.

Die Mitarbeiterin habe aber hinsichtlich einzelner Vergütungsbestandteile einen Anspruch in Höhe der Differenz zwischen dem Medianentgelt der weiblichen und dem der männlichen Vergleichsgruppe. Daher sprach es ihr immerhin rund 130.000 Euro für vier Jahre zu.

Gegen dieses Urteil ging die Frau gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) vor. Es ist nicht die einzige Klage von Abteilungsleiterinnen bei Daimler, berichtet die GFF in ihrer Pressemitteilung.

BAG: Ein männlicher Mitarbeiter reicht zum Vergleich

Der Achte Senat des BAG hat das Urteil des LAG nun teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Urteil ist ein Grundsatzurteil, denn es senkt die Voraussetzungen für eine Entgeltgleichheitsklage.

Zum einen stellten die Richterinnen und Richter klar, dass nach der Rechtsprechung des EuGH – entgegen der Auffassung des LAG – keine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung vorliegen müsse. Allein der Umstand, dass das Gehalt einer weiblichen Kollegin geringer sei als das eines männlichen Kollegen, der die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, begründe schon regelmäßig die Vermutung, dass diese Benachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt sei. Könne der Arbeitgeber diese Vermutung nicht widerlegen, sei er zur Zahlung des Gehalts in derselben Höhe wie das der zum Vergleich herangezogenen männlichen Kollegen verpflichtet.

Entgegen der Annahme des LAG genüge es auch für die Vermutung, dass nur ein einziger anderer Kollege, der gleiche oder gleichwertige Arbeit leiste, besser bezahlt werde. Anders als das LAG meinte, braucht es also nicht den Median einer ganzen Reihe von männlichen Kollegen, die dieselbe Arbeit verrichten. Dementsprechend sei auch die Größe der männlichen Vergleichsgruppe und die Höhe der Medianentgelte beider Geschlechtsgruppen für das Eingreifen der Vermutungswirkung ohne Bedeutung, so das BAG. Die klagende Arbeitnehmerin müsse nur darlegen und im Bestreitensfall beweisen, dass ihr Arbeitgeber dem Kollegen ein höheres Entgelt zahle.

Die Daimler-Angestellte habe – unter Verweis auf die Angaben im Dashboard – in Bezug auf eine Vergleichsperson hinreichende Tatsachen vorgetragen, die eine geschlechtsbedingte Entgeltbenachteiligung vermuten ließen. Das LAG werde daher im fortgesetzten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob Daimler diese Vermutung – ungeachtet der Intransparenz ihres Entgeltsystems – widerlegt habe. Daimler erhält damit nochmal die Gelegenheit, objektive Gründe für die geringere Bezahlung der Mitarbeiterin nachzureichen. In den ersten beiden Instanzen war es dem Unternehmen nicht gelungen, transparente Entgeltkriterien für die relevante Leitungsgruppe vorzuweisen.