Rentenanwartschaft

Kindererziehung: Benachteiligung von Vätern verfassungsgemäß

Kindererziehungszeiten werden für die Rente im Zweifel der Mutter zuerkannt. Dass Männer dadurch benachteiligt werden, ist laut BSG verfassungsgemäß.

23.04.2024Rechtsprechung

Kindererziehungszeiten - und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung - werden im Zweifel bei der Mutter anerkannt. Darin liege keine verfassungswidrige Benachteiligung von Männern, so das BSG. Die entsprechende Auffangregel des § 56 Abs. 2 Satz 8 bis 10 SGB VI sei verfassungsgemäß (Urt. v. 18.04.2024,
Az. B 5 R 10/23 R).

Kindererziehungszeiten werden gem. § 56 Abs. 2 Satz 2 SGB VI grundsätzlich einem Elternteil als Beitragszeiten angerechnet. Dies soll ein Ausgleich dafür sein, dass dieser wegen der Kindererziehung nicht (in Vollzeit) gearbeitet und deshalb nicht (voll) in die Rentenkasse eingezahlt hat. Die Frage ist aber häufig: Wer hat das Kind (vorrangig) erzogen? Erziehen Eltern ein Kind gemeinsam, können sie eine übereinstimmende Erklärung gegenüber dem Rentenversicherungsträger abgeben, welchem Elternteil die Kinderziehungszeiten zugeordnet werden sollen. Bei Fehlen einer solchen Erklärung werden die Erziehungszeiten dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat. Lässt sich auch darüber keine Zuordnung vornehmen, werden die Kindererziehungszeiten der Mutter zugeordnet.

Vater sieht sich gegenüber Müttern und gleichgeschlechtlichen Paaren benachteiligt

So geschah es in dem zu entscheidenden Fall. Die Eltern lebten zunächst in häuslicher Gemeinschaft mit der 2001 geborenen Tochter. Der Vater war nach der Geburt der Tochter weiterhin in Vollzeit beschäftigt. Die Mutter nahm erst kurz vor dem 6. Geburtstag der Tochter wieder eine geringfügige Beschäftigung auf. Sie zog am 10. November 2008 aus der gemeinsamen Wohnung aus und lebt seitdem vom Vater und der Tochter dauerhaft getrennt. Inzwischen ist ihr Aufenthalt unbekannt, das Familiengericht hat das Ruhen ihrer elterlichen Sorge festgestellt.

Die Rentenversicherung Hessen merkte beim Vater die Zeit ab dem Auszug der Mutter als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vor. Für die Zeit davor lehnte sie eine entsprechende Vormerkung ab. Insoweit sei von einer gemeinsamen Erziehung der Tochter durch beide Elternteile auszugehen. Da keine übereinstimmende Erklärung zur Zuordnung der Erziehungszeit abgegeben worden sei und sich eine überwiegende Erziehung durch den Vater erst ab dem 10. November 2008 habe nachweisen lassen, erfolge eine Zuordnung bei der Kindsmutter.

Dagegen klagte der Vater, blieb aber bereits in den ersten zwei Instanzen erfolglos. Er rügte vor dem BSG unter anderem eine Verletzung von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG. Er werde durch die Zuordnungsregel des § 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI aufgrund seines Geschlechts benachteiligt. Das dahinter stehende Rollen- und Familienbild entspreche auch nicht mehr der gesellschaftlichen Realität. Schließlich würde er auch im Vergleich zu gleichgeschlechtlichen Elternpaaren benachteiligt, weil dort in vergleichbarer Situation gem. § 56 Abs. 2 Satz 10 SGB VI die Kindererziehungszeiten zu gleichen Teilen zwischen den Elternteilen aufgeteilt würden.

BSG: Männer müssen diese Benachteiligung hinnehmen

Nun bestätigte auch das BSG die Ansicht der Vorinstanzen, dass der Vater nicht die Vormerkung weiterer rentenrechtlicher Zeiten wegen der Erziehung seiner Tochter beanspruchen könne. Die entsprechende Vorschrift sei verfassungsgemäß.

Zwar führe die Auffangregelung zu seiner unmittelbaren Benachteiligung. Die Ungleichbehandlung sei aber zur Verwirklichung des Gleichstellungsgebots ausnahmsweise gerechtfertigt. Indem die Erziehungszeit im Zweifel der Mutter zuordnet werde, würden faktische Nachteile ausgeglichen. Diese bestünden infolge der Erziehungsleistung beim Erwerb von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung, die Frauen weiterhin deutlich häufiger beträfen als Männer. Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten sei von Anfang an als Beitrag zur Verbesserung der eigenständigen sozialen Sicherung von Frauen konzipiert worden. Obgleich die Erwerbstätigenquote und teilweise auch der zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit von Müttern mit Kindern unter drei Jahren und auch darüber hinaus gestiegen sei, blieben sie immer noch deutlich hinter denjenigen der Väter zurück.

Diese die Mütter bevorzugende Auffangregelung sei auch verhältnismäßig. Die übrigen Zuordnungsregelungen in § 56 Abs. 2 SGB VI ließen genügend Raum für eine Zuordnung der Erziehungszeit an den Vater.

Eine Ungleichbehandlung gegenüber gleichgeschlechtlichen Elternteilen bestehe ebenfalls nicht. Hier liege schon keine geschlechtsbezogene Differenzierung vor. Zudem sei das allgemeine Gleichheitsgebot nicht verletzt, weil bei gleichgeschlechtlichen Eltern die Zielsetzung der Bevorzugung von Müttern keine Rolle spielen könne.