Trotz harter Worte

Notar kämpft gegen Altersgrenze – und darf Notarvertreter sein

Ein 71-jähriger kämpft gegen die Altersgrenze bei Notaren. Das ändert nichts daran, dass er als Notarvertreter tätig sein darf, so das OLG Köln.

02.07.2025Rechtsprechung

Das OLG Köln hat das LG Duisburg dazu verpflichtet, einem 71-jährigen Rechtsanwalt und Notar a. D., der aktuell vor dem BVerfG gegen die Altersgrenze bei Notaren kämpft, eine Tätigkeit als Notarvertreter für seine Nichte zu gestatten. Das LG hatte ihm die Tätigkeit als Notarvertreter zuvor versagt, weil es der Ansicht war, die Art und Weise, wie der Notar a.D. seine Klage gegen die Altersgrenze führe, lasse ihn für die Tätigkeit als Notarvertreter „persönlich ungeeignet“ erscheinen. Dieser Ansicht widersprach das OLG nun - mit deutlichen Worten (Urt. v. 27.5.2025, Az. 36 Not 7/24).

Notar a.D. nun als Notarvertreter?

Bereits vor dem OLG Köln und dem BGH hatte der ehemalige Notar versucht, gegen die Altersgrenze von 70 Jahren einen Erfolg zu erstreiten – bislang vergeblich (zuletzt BGH, Urt. v. 21.08.2023, Az. NotZ (Brfg) 4/22). Die Nachwuchsförderung sieht er als keine ausreichende Begründung für diese Altersgrenze. Aktuell liegt seine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG, welches bereits am 25.03.2025 zu der Sache verhandelt hat. Eine Entscheidung in der Sache steht aber noch aus. Seinen Eilantrag auf vorläufige Aussetzung des Vollzugs des Gesetzes lehnte das BVerfG hingegen ab und erwähnte dabei die Möglichkeit, weiterhin als Notarvertreter tätig zu sein (BVerfG, Beschl. v. 18.10.2023, Az. 1 BvR 1796/23).

Diese Möglichkeit hat der Notar a.D. tatsächlich, weil seine Nichte, ebenfalls Notarin, mit der er in einer Bürogemeinschaft tätig ist, ihn im April 2024 bis Ende Dezember 2025 zu ihrem ständigen Vertreter bestellen wollte. Anlässlich der Geburt ihres zweiten Kindes befindet sie sich in Elternzeit – einer der gesetzlichen Gründe für die Bestellung eines Notarvertreters.

Der Antrag wurde jedoch vom LG Duisburg als Aufsichtsbehörde der Notarin abgelehnt. Er habe im Rahmen seiner Klage gegen die Altersgrenze für Notare Aussagen getätigt und Anträge gestellt, die streitig oder abwegig seien. Zuvor hatte auch das OLG Düsseldorf mitgeteilt, dass es das Verhalten als „mit den Berufspflichten eines Notars nicht zu vereinbaren“ befinde und „das Vertrauen in die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben eines ständigen Notarvertreters massiv erschüttert sei“. Auch die Rheinische Notarkammer hatte sich ablehnend zur Vertreterbestellung geäußert. Trotz einer einstweiligen Anordnung des OLG Kölns zur vorläufigen Bestellung als Vertreter kam das LG dem nur teilweise nach und setzte ihn nur für einen kürzeren Zeitraum als Notarvertreter ein. Nach einem Vorgehen der Nichte auch hiergegen ist der ehemalige Notar aktuell bis August 2025 als vorläufiger Notarvertreter eingesetzt. Mit ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtungsklage verfolgt sie nun in der Hauptsache das Ziel, ihren Onkel zum ständigen Notarvertreter zu bestellen.

OLG Köln: Kein Grund, warum er nicht geeignet sein sollte

Das OLG Köln entschied nun: Das LG Duisburg habe gemäß §§ 39 Abs. 1 S. 1 Fall 2, S. 2 BNotO den Notar a.D. als ständigen Notarvertreter zunächst bis zum 1. August 2025 zu bestellen. Der Senat sei zur Überzeugung gelangt, dass der Notar a.D.  als ständiger Notarvertreter persönlich geeignet sei. Das Ermessen des LG Duisburg sei hier auf Null reduziert, sodass es zur Vertreterbestellung verpflichtet sei.

Dem Antrag auf Bestellung eines ständigen Vertreters von Notarinnen oder Notaren, die mindestens ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, tatsächlich betreuen oder pflegen, soll in der Regel entsprochen werden (§ 24 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 AVNot NRW). Als Vertretung soll gemäß § 39 Abs. 3 S. 4 BNotO nur bestellt werden, wer von dem Notar vorgeschlagen wurde und zur Übernahme des Amtes bereit ist. Eine ständige Vertretung kann laut § 39 Abs. 3 S. 2 Fall 3 BNotO ausdrücklich auch einem Notar außer Dienst übertragen werden. Die Höchstaltersgrenze von 70 Jahren gilt für Notarvertreter nicht. § 39 Abs. 3 S. 1, § 5 Abs. 1 und 2 BNotO erfordert dabei allerdings eine „persönliche Eignung“ als Notarvertreter, die grundsätzlich positiv feststehen muss.

An der grundsätzlichen persönlichen Eignung Notars a.D. könnten hier keine Zweifel bestehen, so das OLG. Er habe über drei Jahrzehnte ein umfangreiches Notariat geführt, ohne je disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten zu sein. Ebenso beanstandungsfrei habe er über bald zwei Jahre das Amt des ständigen Notarvertreters ausgeübt. Er habe zudem über Jahrzehnte das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Rechtspflegeorgane und die unbedingte Integrität von Amtspersonen bei Ausübung der notariellen Amtsgeschäfte durchgängig erfüllt.

Auch außerhalb des Amtes nicht unwürdig

Ein Notar müsse allerdings auch gemäß § 14 Abs. 3 BNotO außerhalb seines Amtes sich der Achtung und des Vertrauens, die dem Notaramt entgegengebracht werden, würdig zeigen. Nach der Überzeugung des Senats ergäben sich jedoch auch im Rahmen einer Gesamtabwägung aus seinem Verhalten im Zusammenhang mit seiner Klage gegen die Altersgrenze von 70 Jahren für Notare keine ausreichenden Umstände, um ihn im Sinne von
§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BNotO als „unwürdig erscheinen“ zu lassen. Im Gegenteil zeigt sich das OLG hier davon überzeugt, dass L. auch weiterhin seine Tätigkeit als ständiger Notarvertreter beanstandungsfrei fortsetzen werde und durch sein Verhalten die Achtung und das Vertrauen, die dem Notaramt entgegengebracht würden, nicht gefährden werde.

Anschließend geht das OLG ausführlich auf jeden einzelnen Kritikpunkt am Verhalten des Notars a.D. im Rahmen seines Klageverfahrens gegen die Notar-Altersgrenze ein. Dies eingeleitet mit den Worten: „Das Recht der Parteien auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG erfordert es, dass Parteien in einem Gerichtsverfahren grundsätzlich alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird.“

So könne es ihm nicht verwehrt werden, einen Befangenheitsantrag zu stellen und dabei „pointierte“ Formulierungen wie „Geld macht gewogen“ zu verwenden. Dies sei noch nicht herabsetzend den Richtern gegenüber. Auch dass er die Möglichkeit einer Rechtsbeugung als Frage aufgeworfen habe, sei nicht (noch) nicht zu beanstanden. Zumal er diese Auffassung durch rechtstatsächliche Angaben untermauert habe.

Anlässlich der mündlichen Verhandlung am BGH behauptet der ehemalige Notar a.D., man habe ihn erst nicht in den Sitzungssaal lassen wollen und anschließend nur nach eingehender Leibesvisitation und unter Begleitung von Justizwachtmeistern in den Saal gelassen. Daraufhin tätigte er die Äußerung, dass eine „solche Praxis [...] von Richtern in einem totalitären Staat erwartet [hätte], aber niemals von Richtern am Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland“. Diese Äußerung bewertete zwar auch das OLG Köln als unangemessen, haltlos und nicht zur rechtfertigen. Die aus seiner persönlichen Betroffenheit heraus außerhalb seiner notariellen Tätigkeit getätigten Äußerung wiege aber nicht so schwer, dass ihm deshalb die persönliche Eignung abzusprechen sei. Wenn die Ausführungen stimmten, so sei dies außerdem tatsächlich ein „sehr ungewöhnlicher Vorgang, den man in einem Rechtsstaat nicht erwartet“.

Die Berufung zum BGH wurde nicht zugelassen.