Stellungnahme der BRAK Nr. 60/2023

Regierungsentwurf Videokonferenztechnik: Förderung von Videoverhandlungen ist zu befürworten

BRAK nimmt zum Regierungsentwurf Videokonferenztechnik Stellung.

 

13.10.2023 | Die Bundesrechtsanwaltskammer hat heute eine Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten veröffentlicht. Die Stellungnahme knüpft an die bereits abgegebene Stellungnahme Nr. 5/2023 zum Referentenentwurf an.

Im Lichte des in Deutschland nach wie vor bestehenden Digitalisierungsdefizites und der dringenden Notwendigkeit, Gerichtsverfahren zukunftssicher zu gestalten, begrüßt die BRAK weiterhin uneingeschränkt die grundsätzliche Förderung von Videoverhandlungen. Die vermehrte Nutzung von Videokonferenztechnik lässt eine deutliche Beschleunigung der Verfahren erwarten, da nicht nur lange Anreisewege entfallen, sondern auch die Anzahl von Verlegungsanträgen rückläufig sein dürfte.

Die BRAK hatte sich bereits in ihrer Stellungnahme Nr. 5/2023 zum Referentenentwurf für ein Konzept von Videoverhandlungen ausgesprochen, in dessen Zentrum die Dispositionsmaxime steht und das dem Status der Partei als Herrin des Verfahrens Rechnung trägt. Relevant werden die Interessen der beteiligten Parteien in zwei Konstellationen: Einerseits bei Durchführung einer Onlineverhandlung gegen den Willen der Parteien, weil das Gericht dies anordnet und andererseits bei Nichtdurchführung einer Onlineverhandlung trotz übereinstimmenden Parteiwillens, weil das Gericht beispielsweise die unmittelbare Anwesenheit der Parteien für förderlich erachtet.

Die Durchführung einer Onlineverhandlung gegen den Willen der Partei sah die BRAK kritisch. Der ursprüngliche Vorschlag einer Anordnungsbefugnis des Gerichts nebst Beschwerdemöglichkeit wurde den Parteiinteressen nicht gerecht und hätte zudem zu Verfahrensverzögerungen führen können. Insofern wurde angeregt, auf eine Anordnung von Amts wegen zu verzichten und die diesbezügliche Entscheidungsfreiheit den Parteien zuzusprechen, der Dispositionsmaxime insofern den Vorrang vor der Verfahrensleitung einzuräumen. Der Regierungsentwurf enthält nun entscheidende Verbesserungen, die zwar nicht ganz der ursprünglichen Forderung der BRAK entsprechen, jedoch dem verfolgten Interesse am Schutz der Dispositionsmaxime hinreichend Rechnung tragen. Eine von Amts wegen angeordnete Videoverhandlung gegen den Willen der Parteien kann es wegen der Einspruchsmöglichkeit nach § 128a Abs. 5 ZPO-E i.d.F. des RegE nun nicht mehr geben. Wird Einspruch – der keiner Begründung bedarf – eingelegt, ist die Anordnung aufzuheben und folglich mündlich zu verhandeln. Die BRAK begrüßt, dass die am Referentenentwurf geäußerte Kritik Gehör gefunden hat und hält die Absicherung der Dispositionsmaxime durch die nun eingefügte Einspruchsmöglichkeit für eine gelungene Regelung sowie einen ausreichenden Schritt zum Schutz des Parteiwillens, ohne die richterlichen Möglichkeiten zur Verfahrensleitung zu beschränken.

Nicht verständlich ist hingegen, dass die Freiheit der Parteien nicht auch dann gleichermaßen schützenswert sein soll, wenn sich diese übereinstimmend für eine Onlineverhandlung ausgesprochen haben. Die diesbezüglich schon am Referentenentwurf geäußerte Kritik wird daher aufrecht erhalten. Es besteht kein sachgerechter Grund, trotz übereinstimmenden Parteiwillens auf eine Pflicht des Gerichts zur Durchführung einer Videoverhandlung zu verzichten. Auch das Interesse des Gerichts an einer geordneten Verfahrensleitung bildet keine tragfähige Grundlage für eine „Überstimmungsbefugnis“ des jeweiligen Richters. Dieser verfügt über ausreichend prozessuale Möglichkeiten, das Verfahren zu lenken und zu leiten, sollten aus seiner Sicht gewichtige Gründe für eine persönliche Anwesenheit der Parteien im Saal sprechen. Die BRAK fordert daher nachdrücklich eine Regelung, die eine Bindung des Gerichts an den Parteiwillen sicherstellt.

Die weiteren Einzelheiten können der Stellungnahme entnommen werden.

Die BRAK wird sich auch weiterhin aktiv in das parlamentarische Verfahren einbringen. Die BRAK ist als Sachverständige für die am 18.10.2023 im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags stattfindende Anhörung geladen.

Weiterführende Informationen

BRAK-Stellungnahme-Nr. 5/2023 zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten
Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten
Synopse zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten
Referentenentwurf eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten
Podcast „Kurz & knackig: Der geplante §128a ZPO - Wasch mich, aber mach mich nicht nass?“ mit Rechtsanwalt und Notar Hans Ulrich Otto