Sicherheitspaket rechtsstaatlich inakzeptabel

Schnellschüsse vermeiden – Grundrechte und Mandatsgeheimnis achten

Mit einem Schreiben haben sich Leonora Holling, Schatzmeisterin der BRAK und André Haug, 2. Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) am 15.10.2024 an den Rechtsausschuss des Bundestages, den Ausschuss für Inneres und Heimat sowie die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen gewandt und gefordert, das geplante Sicherheitspaket nicht in der beabsichtigten Form zu beschließen.

16.10.2024Gesetzgebung

Mit dem Schreiben wird nicht nur kritisiert, dass ein weiteres Mal keine Verbändeanhörung erfolgte. Die BRAK betont vielmehr auch, dass infolge überhasteter Verabschiedung der Schutz aller betroffenen Verfahrens- und Persönlichkeitsrechte und namentlich des Mandatsgeheimnisses ins Hintertreffen geraten könnte.

Die Entwurfsverfasser berufen sich nach Auffassung der BRAK zu Recht auf die Schutzpflicht des Staates hinsichtlich des Rechts auf Leben bzw. die körperliche Unversehrtheit. Völlig außeracht geraten zu sein scheint dabei jedoch, dass der Staat darüber hinaus eine Reihe weiterer Grund- und Verfassungsrechte zu beachten und zu gewährleisten hat. Dazu zählt in einem Rechtsstaat und mit Blick auf die anwaltliche Tätigkeit zuvorderst das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Ausfluss u. a. der Menschenwürde, das in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsrechts u. a einen Kernbereich privater Lebensgestaltung inklusive der Möglichkeit, rechtliche Beratung vertraulich und unerkannt in Anspruch zu nehmen, garantiert. Ferner zählen dazu das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK, Art. 1, 2, 20 III GG) inklusive des Rechts auf wirksame Verteidigung (Art. 6 III c EMRK), das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK) sowie das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GRCh).

Die nach all diesen Vorschriften zu gewährleistende vertrauliche Inanspruchnahme rechtlicher Beratung ist eine grundlegende Voraussetzung für einen funktionierenden Rechtsstaat und den Schutz auch aller sonstigen Rechte der Einzelnen - namentlich auch der Opfer von Gewalttaten, deren Schutz das Sicherheitspaket dienen soll.

Bis heute liegt der Bundesrechtsanwaltskammer kein Entwurf vor, der eine hinreichende Auseinandersetzung der Entwurfsverfasser mit diesen Rechten erkennen ließe, geschweige denn der BRAK und den weiteren zu Beteiligenden eine gebotene Befassung ermöglichen würde.

Aus den bekannt gewordenen Entwürfen ergeben sich nach Ansicht nahezu aller in der Anhörung des Innenausschusses befassten Sachverständigen deutlich zu vage und zu weitreichende Befugnisse insbesondere zu einem systemübergreifenden automatisierten biometrischen Abgleich mit über das Internet verfügbaren Daten. In der bekannten Form bergen diese Befugnisse die Gefahr einer umfassenden Datenbankbildung und Auswertung, was wiederum eine Offenbarung von Mandatskontakten ermöglichen könnte. Die Betroffenen wären dadurch nicht nur in ihren sämtlichen eingangs aufgeführten Grund- und Verfassungsrechten beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass sie unter Umständen von der Inanspruchnahme rechtlicher Beratung - und in der Folge von der Durchsetzung bzw. Verteidigung ihrer Rechte – abgehalten würden.

Dies ist inhaltlich und hinsichtlich des - ohne Not gewählten - Verfahrens, die Gesetzentwürfe ohne Verbändebeteiligung über die Fraktionen einzubringen, rechtsstaatlich inakzeptabel.

Gemeinsames Schreiben der Schatzmeisterin der BRAK, Leonora Holling, und des 2. Vizepräsident der BRAK, André Haug, vom 15.10.2024