Stellungnahme der BRAK 23/2023

Stellungnahme zum Regierungsentwurf Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung

Die BRAK hat heute ihre durch den Ausschuss erarbeitete Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung (Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz – DokHVG) veröffentlicht.

Regierungsentwurf eines Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung (Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz – DokHVG) i.d.F. vom 10. Mai 2023

01.06.2023 | Die Stellungnahme knüpft an die bereits abgegebene Stellungnahme zum Referentenentwurf (BRAK-Stellungnahme Nr. 08/2023) an. Im Gegensatz zum Referentenentwurf sieht der aktuelle Regierungsentwurf nicht mehr die Einführung einer generellen Pflicht zu einer Bild-Ton-Aufzeichnung für die erstinstanzlichen Hauptverhandlungen vor den Land- und Oberlandesgerichten vor. Stattdessen soll in diesen Verfahren lediglich eine akustische Aufzeichnung mit anschließender Transkription vorgeschrieben sein. Die Länder können zusätzlich und damit fakultativ die Möglichkeit zu einer Bild-Aufzeichnung vorsehen.

Nach Ansicht der BRAK hält die Bundesregierung damit zu Recht an einer Verpflichtung zur Aufzeichnung der Hauptverhandlung vor den Oberlandesgerichten und den erstinstanzlich tätigen Strafkammern der Landgerichte fest. Insoweit ist der jetzt vorgelegte Regierungsentwurf im Grundsatz sehr zu begrüßen. Auch wenn einige Detailregelungen (insbesondere zur Beschränkung des Umgangs mit dem Transkript) sowie die beabsichtigten Änderungen im Bereich des Revisionsrechts noch verbesserungsfähig sind.

Das bestehende Protokollsystem ist nicht mehr zeitgemäß. Gegenstand des Strafverfahrens ist die Frage, ob ein staatlicher Grundrechtseingriff von erheblicher Tragweite (ggf. eine Gefängnisstrafe) angeordnet wird. Schon deshalb müssen die äußeren Rahmenbedingungen des Verfahrens nach Möglichkeit so gestaltet werden, dass ein gerichtliches Urteil auf zutreffender Tatsachengrundlage ergeht. Dazu gehört bei dem heute erreichten Stand der Aufzeichnungstechnik, dass auch der Verlauf einer Hauptverhandlung in Strafsachen so dokumentiert wird, dass innerhalb des Verfahrens jederzeit sowohl für die Verfahrensbeteiligten der jeweiligen Hauptverhandlung als auch für die weiteren Verfahrensbeteiligten in ggf. späteren Rechtsmittelinstanzen nachvollzogen werden kann, welchen Inhalt die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung hatte. Dies wird sich auf den Prozess der Entscheidungsfindung positiv auswirken und Rechtssicherheit schaffen. Die Mitglieder des Gerichts sind nicht mehr gezwungen, selbst Mitschriften anzufertigen, wenn ihnen eine authentische und richtige Dokumentation der Hauptverhandlung zur Verfügung steht. Zugleich ist sichergestellt, dass der Inhalt mündlicher Äußerungen in der Hauptverhandlung (insb. von Sachverständigen und von Zeugenaussagen) jederzeit zuverlässig nachvollzogen werden kann. Auch während der Beratung haben die Mitglieder des Gerichts damit jederzeit die Möglichkeit, sich Gewissheit über den Inhalt der Beweisaufnahme zu verschaffen. Auseinandersetzungen über den Inhalt von mündlichen Erklärungen, die in der Praxis immer wieder auftreten, können auf diese Weise vermieden werden. Oft versteht jeder Prozessbeteiligte das, was er verstehen will, ohne dass dabei böser Wille unterstellt wird. Solche Situationen sind überflüssig. Aufzeichnung und Transkription tragen in besonderem Maße dazu bei, dass das Urteil auf einem Sachverhalt beruht, der zumindest von den Prozessbeteiligten so vorgetragen wurde. Die  Wahrheitsfindung rückt in den Mittelpunkt des Prozesses. Der Zustand, dass es gerade bei Prozessen vor den Landgerichten und den Oberlandesgerichten kein Inhaltsprotokoll  gibt, ist im Hinblick auf die möglichen Konsequenzen dieser Urteile schlicht nicht hinnehmbar.