Strafprozess

Trotz Geständnis: Keine Verurteilung ohne Beweiserhebung

Gesteht der Angeklagte nach einer Verständigung, darf das Gericht ihn nicht allein deswegen verurteilen, sondern muss Beweis erheben, so das BVerfG.

15.02.2024Rechtsprechung

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass das Geständnis eines Angeklagten nicht als alleinige Grundlage zu seiner Verurteilung herangezogen werden darf. Es sei zwingend durch Beweiserhebung auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Ansonsten sei das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verletzt. Somit hat das BVerfG der Verfassungsbeschwerde eines wegen Untreue gem. § 266a Strafgesetzbuch (StGB) Verurteilten stattgegeben (Beschl. v. 20.12.2023, Az. 2 BvR 2103/20).

Dem Angeklagten wurde Untreue in 26 Fällen zu Lasten von mindestens  36 Personen in einem Zeitraum von fast drei Jahren betrafen und einen Schaden von mutmaßlich nahezu einer halben Million Euro verursacht haben sollen. Bevor es zu einer Beweisaufnahme kam, schlug der Vorsitzende des Amtsgerichts (AG) gemäß § 257c Abs. 1 Satz 2 Strafprozessordnung (StPO) vor. Der Verteidiger las daraufhin ein sehr kurzes, wenig detailreiches Geständnis vor, in dem er u.a. auf die „die Tatvorwürfe aus der Anklage“ Bezug nahm. Dies bestätigte der Angeklagte mit den Worten „Das ist richtig so.“ Daraufhin wurde der Mann verurteilt. Eine dagegen gerichtete Sprungrevision verwarf das Oberlandesgericht als unbegründet.

BVerfG: So leicht darf es sich ein Gericht nicht machen

Das BVerfG sah durch dieses Vorgehen das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren verletzt. Das AG habe bei der Sachverhaltsaufklärung und der Beweiswürdigung die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an die Wahrheitserforschung verkannt. Das Gericht habe von Amts wegen die Pflicht, das vorgeworfene Geschehen aufzuklären. Ein auf einer Verständigung basierendes Geständnis könne hingegen nicht die alleinige Grundlage eines Urteils bilden. Weiterhin maßgeblich bleibe allein und ausschließlich die – ausreichend fundierte – Überzeugung des Gerichts vom Sachverhalt. Diesen müsse es im Wege einer zwingend notwendigen Beweiserhebung selbst feststellen bzw. überprüfen.

Das auf der Verständigung basierende Geständnis hätte dementsprechend nicht als alleinige Grundlage zur Verurteilung herangezogen werden dürfen. Dem AG hätte sich zwingend die Notwendigkeit einer ergänzenden Beweiserhebung zur Überprüfung des Geständnisses und der Feststellung seiner Schuld aufdrängen müssen. Dies insbesondere, weil das Verfahren als komplex und die Qualität des Geständnisses als gering einzustufen seien. Nicht nur sei es inhaltlich dünn gewesen, z.B. im Hinblick auf die Schadenshöhe, die aber einen wesentlichen Faktor für die Strafzumessung im Rahmen von § 266a StGB darstelle. Der Angeklagte habe es auch noch durch den Verteidiger vorlesen lassen. Dementsprechend lasse sich keinesfalls von vornherein sicher ausschließen, dass eine weitere Beweiserhebung weitere Erkenntnisse versprochen hätte.

Der Fall wurde dementsprechend zum AG zurückverwiesen.