trans, inter, non-binary

Regierung beschließt Selbstbestimmungsgesetz

Laut dem Regierungsentwurf können trans- bzw. intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen ihren Geschlechtseintrag bald selbstbestimmt ändern.

25.08.2023Gesetzgebung

Die Bundesregierung hat am 23. August 2023 den von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) vorgelegten Gesetzentwurf eines Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG) mit einigen Änderungen beschlossen. Mit dem Gesetz soll es insbesondere trans- und intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen erleichtert werden, ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen beim Standesamt ändern zu lassen.

„Mit dem Selbstbestimmungsgesetz verwirklichen wir das Recht jedes Menschen, in seiner Geschlechtsidentität geachtet und respektvoll behandelt zu werden“, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus anlässlich des Kabinettbeschlusses. Bundesjustizminister Marco Buschmann erklärte: „Alle Menschen haben ein Recht darauf, dass der Staat ihre geschlechtliche Identität achtet.“

An einigen Stellen gab es Änderungen im Vergleich zum ursprünglichen Referentenentwurf: So wurde zum Beispiel die Geltung des Gesetzes bei deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit abgeändert. Überarbeitet wurde ferner die Vorschrift zum Offenbarungsverbot, damit sich niemand durch Änderung des Geschlechtseintrags und seines Vornamens der Strafverfolgung entziehen kann. Auch die dreimonatige Frist für die Geltung der Namensänderung von drei Monaten wurde modifiziert.

Das veraltete Transsexuellengesetz

Derzeit gilt für transgeschlechtliche (nicht mit dem biologischen Geschlecht identifizierte) und nicht binäre (weder nur als Mann noch nur als Frau identifizierte) Personen noch das Transsexuellengesetz von 1980. Dieses hat das Bundesverfassungsgericht jedoch in sechs Urteilen weitgehend für verfassungswidrig und nicht anwendbar erklärt. Das aktuelle Gesetz verlangt für trans und nicht binäre Menschen ein langwieriges und kostenintensives Gerichtsverfahren, in dem zwei Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen, um den Geschlechtseintrag oder die Vornamen zu ändern. Dabei handele es sich laut Referentenentwurf um ein medizinisch veraltetes, pathologisierendes Verständnis von Transgeschlechtlichkeit. Intergeschlechtliche Menschen (mit von Geburt an beiden biologischen Geschlechtsmerkmalen) müssen aktuell „nur“ ein ärztliches Attest oder eine Versicherung an Eides statt vorlegen, um ihren Eintrag ändern zu können.

Die Ampel-Koalition hatte die Reform bereits im Koalitionsvertrag angekündigt (S. 95). Im Juni 2022 wurden bereits Eckpunkte für ein Selbstbestimmungsgesetz und die Abschaffung des Transsexuellengesetzes vorgestellt. Im Mai folgte dann ein Referentenentwurf, über den in den vergangenen Monaten weiter diskutiert wurde. Nun also der Regierungsentwurf, der noch einmal Dinge ändert, die folgenden wesentlichen Regelungen aber beibehält:

Selbstbestimmter Geschlechtseintrag

Künftig sollen Menschen ab 18 Jahren ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen künftig ohne gerichtliche Entscheidung oder ärztliche Begutachtung durch einfache Selbstauskunft beim Standesamt ändern dürfen. Neu hinzugekommen ist auch eine Pflicht, sich drei Monate vor der Erklärung beim Standesamt anzumelden. Zeitlich ändert sich daher im Vergleich zum vorherigen Entwurf wenig: Darin war vorgesehen, dass eine Erklärung zwar jederzeit möglich war, jedoch erst nach drei Monaten wirksam werden sollte. Ist die Änderung erfolgt, gibt es eine Sperrfrist von einem Jahr, um einen erneuten Antrag auf Änderung zu stellen. Im Personenstandsregister ist es damit – wie bisher – möglich, als männlich, weiblich, divers eingetragen zu werden oder keinen Geschlechtseintrag zu haben.

Kinder unter 14 Jahren können ihre Erklärung nicht selbst abgeben, sondern nur durch die Sorgeberechtigten. Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren können die Erklärung mit Zustimmung der Eltern selbst abgeben. Sollten diese ihre Zustimmung verweigern, kann sie auch durch die Entscheidung des Familiengerichts ersetzt werden.

Neu hinzugekommen sind Präzisierungen im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit: § 7a EGBGB-E legt fest, dass die Geschlechtszugehörigkeit sich nach dem Heimatrecht der betreffenden Person richtet. Absatz 2 Satz 1 erlaubt die Wahl des Rechts des Staates, in dem die betroffene Person im Zeitpunkt der Änderung des Geschlechtseintrags ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Neu im Entwurf steht: Wer die Anwendung des deutschen Rechts gewählt hat, kann seinen Geschlechtseintrag nur ändern lassen, wenn er oder sie ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, eine Blaue Karte EU oder eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich im letzteren Fall rechtmäßig im Inland aufhält.

Schutz vor Zwangs-Outing

§ 13 des Entwurfs enthält weiterhin ein Verbot des sog. Zwangs-Outings, also der Offenbarung oder Ausforschung früherer Geschlechtseinträge ohne Zustimmung der betreffenden Person. Allerdings sind im Verhältnis zum Referentenentwurf viele Ausnahmen hinzugekommen. Insbesondere soll durch § 13 Absatz 5 SBGG sichergestellt werden, dass niemand sich durch Änderung des Geschlechtseintrags und seines Vornamens der Strafverfolgung entziehen kann. Kinder, Eltern und (frühere) Ehegatten sind nur dann zur Angabe des geänderten Geschlechtseintrags und der Vornamen verpflichtet, wenn dies für die Führung öffentlicher Bücher und Register oder im Rechtsverkehr erforderlich ist. Sie dürfen den alten Namen aber weiterhin nutzen. Bei der absichtlich schädigenden Offenbarung des vorherigen Geschlechts oder Vornamens einer Person droht ein Bußgeld bis zu 10.000 Euro.

Übergangsregelungen für queere Eltern

Die Elternschaft von trans, inter und nicht binären Personen soll das neue Gesetz lediglich übergangsweise regeln: So soll die Bezeichnung "Vater" oder "Mutter" z.B. in Geburtsurkunden in "Elternteil" geändert werden können. Eine finale Regelung soll jedoch erst mit der geplanten Abstammungsrechtsreform kommen, die ebenfalls für diese Legislaturperiode geplant ist. Darin soll es auch um die Frage gehen, wie Paare mit zwei Müttern oder einem zweiten trans, inter oder nicht binären Elternteil ohne Adoption bei der Geburt als zweiter Elternteil für das Kind eingetragen werden können.

Männer im Kriegsdienst

Bereits im ersten Referentenentwurf hinzugekommen war das grundsätzliche Verbot für Menschen mit biologisch männlichem Geschlecht, ihren Eintrag im „unmittelbaren Zusammenhang mit dem Spannungs- und Verteidigungsfall“ zu „weiblich“ bzw. „divers“ zu ändern oder den Eintrag zu löschen. Damit soll verhindert werden, dass cis-Männer (die sich ihrem biologischen Geschlecht zugehörig fühlen), die Regelungen missbrauchen, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Dies solle jedoch nur gelten, sofern dies im Einzelfall keine unbillige Härte darstellen würde, heißt es in dem Entwurf. 

Besonders geschützte Räume für Frauen und Frauenquoten

Besonders umstritten war die Frage des Zutritts von Menschen mit geändertem Geschlechtseintrag zu besonders geschützten Räumen wie Frauensaunen, Umkleidekabinen oder Frauenhäusern. Hierzu trifft der Entwurf nun, wie geplant, keine Entscheidungen, es bleibt bei der aktuellen Rechtslage. So heißt es in der Begründung, „Es ist daher etwa im Rahmen des Hausrechts weiterhin möglich, aus sachlichem Grund, etwa um dem Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung zu tragen (zum Beispiel beim Zugang zu Saunen oder Fitnessstudios für Frauen oder zu Umkleidekabinen) im Einzelfall zu differenzieren.“ Dies stellt auch § 6 Abs. 2 auch noch einmal klar. Es muss allerdings der Diskriminierungsschutz durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz beachtet werden. Danach ist eine Zurückweisung allein aufgrund der geschlechtlichen Identität unzulässig. 

Auch auf die Frauenquoten in Gremien und Organen geht der Entwurf ein: Grundsätzlich soll hier gelten, dass das im Personenstandsregister eingetragene Geschlecht zum Zeitpunkt der Besetzung maßgeblich ist. Erfolge später eine Änderung des Geschlechtseintrags, so solle die Unterschreitung der Mindestanzahl oder Mindestquote erst bei der nächsten Bestellung zu berücksichtigen sein.

Sportliche Leistungen

In der Öffentlichkeit ebenfalls als problematisch angesehen wurde die Einstufung bei sportlichen Wettbewerben. Hierzu heißt es nun in § 6 Abs. 3: „Die Bewertung sportlicher Leistungen kann unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden.“ Sprich: Die Entscheidung darüber überlässt der Entwurf jetzt nicht mehr ausschließlich den Sportverbänden, sondern erlaubt spezielle Länderregelungen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten. Die Autonomie des Sports soll aber nicht angetastet werden: Nach geltendem Recht entscheiden Sportvereinigungen und Zusammenschlüsse weitgehend in eigener Zuständigkeit darüber, welche Personen zu welchen Wettbewerben zugelassen werden.

Strafvollzug

Der Entwurf enthält keine Regelungen zum Strafvollzug, weil die Gesetzgebungskompetenz hierfür bei den Ländern liegt. Dabei muss sich Unterbringung von Strafgefangenen nicht allein am Geschlechtseintrag orientieren. Vor allem seien die Sicherheitsinteressen und Persönlichkeitsrechte aller Strafgefangenen zu berücksichtigen. Ändert ein Strafgefangener mit dem Geschlechtseintrag "männlich" den Geschlechtseintrag in "weiblich", könnten je nach Einzelfall der Schutz anderer Frauen der Verlegung in ein Frauengefängnis entgegenstehen. Bisher haben die meisten Landes-Strafvollzugsgesetze Regelungen, die bestimmen, dass "Frauen getrennt von Männern untergebracht werden". Einzelne Länder wie Berlin, Hessen oder Schleswig-Holstein haben bereits differenzierte Regelungen für transgeschlechtliche Strafgefangene.

Wie geht es weiter?

Nun muss der Entwurf noch durch Bundestag und Bundesrat. Eine Zustimmung des Bundesrats ist nicht erforderlich. Das Gesetz soll planmäßig am 1. November 2024 in Kraft treten. Gleichzeitig soll das Transsexuellengesetz dann außer Kraft treten.