Urlaub im Risikogebiet

Arbeitgeberin muss Lohn zahlen

Ein Unternehmen durfte seinem Mitarbeiter nach Rückkehr aus einem Risikogebiet nicht Arbeit und Lohn versagen. Zu strenges Hygienekonzept, so das BAG.

12.08.2022Rechtsprechung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass eine Arbeitgeberin in Annahmeverzug geriet, weil sie ihrem Beschäftigten nach der Rückkehr aus einem Corona-Risikogebiet pauschal für 14 Tage untersagte, das Betriebsgelände zu betreten und in dieser Zeit keinen Lohn auszahlte. Sie hätte es akzeptieren müssen, dass er bei der Einreise einen aktuellen negativen PCR-Test und ein ärztliches Attest über Symptomfreiheit vorlegen konnte. Diese Unterlagen reichten nach der damaligen Gesetzeslage aus, um nicht der Quarantänepflicht zu unterliegen – dementsprechend hätte die Arbeitgeberin keine strengeren Regeln verlangen dürfen. Weil die Arbeitgeberin ihrem Mitarbeiter dennoch keinen Lohn zahlte, schuldet sie diesen nun rückwirkend (BAG, Urt. v. 10.08.2022, 5 AZR 154/22).

Arbeitgeberin untersagt Arbeit nach Rückkehr aus Corona-Risikogebiet

Der klagende Urlaubsrückkehrer ist als Leiter der Nachtreinigung bei einer Lebensmittelproduzentin für den Handel in Berlin beschäftigt. Seine Arbeitgeberin hatte ein Hygienekonzept zum Infektionsschutz entwickelt. Für Arbeitnehmer, die aus einem vom Robert-Koch-Institut (RKI) ausgewiesenen Risikogebiet zurückkehren, ordnete sie eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot des Betriebs ohne Lohnanspruch an.

Die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vom 16. Juni 2020 sah zwar nach Einreise aus einem Risikogebiet grundsätzlich eine Quarantänepflicht für 14 Tage vor. Diese sollte jedoch nicht für Personen gelten, die einen maximal 48 Stunden vor der Einreise vorgenommenen, negativem PCR-Test sowie ein ärztliches Attest zur Symptomfreiheit vorlegen konnten.

Der nun klagende Beschäftigte war vom 11. bis zum 14. August 2020 wegen des Todes seines Bruders in die Türkei geflogen. Diese war zu der Zeit als Corona-Risikogebiet ausgewiesen. Vor der Rückreise unterzog er sich einem Corona-PCR-Test, der ebenso wie der erneute Test nach Ankunft in Deutschland negativ war. Sein Arzt attestierte ihm zudem Symptomfreiheit. Dennoch versagte ihm seine Arbeitgeberin, wie angekündigt, 14 Tage lang die Rückkehr zu seinem Arbeitsplatz und verweigerte ihm dementsprechend die Arbeitsvergütung in Höhe von 1.512,47 Euro brutto. Deshalb klagte der Mann auf Vergütung, weil er der Ansicht war, seine Arbeitgeberin habe ihm zu Unrecht die Annahme seiner Arbeitsleistung verweigert und sei dadurch in Annahmeverzug geraten.

BAG: Arbeitgeberin geriet in Annahmeverzug

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hatte der Klage bereits stattgegeben (Urt. v. 02.03.2022, Az. 4 Sa 644/21). Die hiergegen gerichtete Revision der Arbeitgeberin hatte vor dem Fünften Senat des BAG keinen Erfolg. 

Die Arbeitgeberin habe sich mit der Annahme der angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug befunden. Das Betretungsverbot des Betriebs habe nicht zur Leistungsunfähigkeit des Klägers im Sinne von § 297 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geführt. Schließlich habe sie selbst die Ursache dafür gesetzt, dass der Mitarbeiter nicht gearbeitet hatte. Dass ihr die Annahme der Arbeitsleistung aufgrund der konkreten betrieblichen Umstände unzumutbar war, habe sie nicht dargelegt.

Die Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben, sei außerdem unbillig im Sinne von § 106 der Gewerbeordnung (GewO) und daher unwirksam gewesen, so das BAG. Das Unternehmen hätte seinem Angestellten die Möglichkeit eröffnen müssen, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen. Auch so hätte der nach § 618 Abs. 1 BGB erforderliche und angemessene Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht und einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf sichergestellt werden können.