Nachrichten aus Berlin | Ausgabe 4/2023

Israel: Rechtsstaat und Anwaltschaft in Gefahr

Die neue israelische Regierung plant Reformen des Justizsystems, die Gewaltenteilung und Unabhängigkeit von Justiz und Anwaltschaft erheblich gefährden. Die BRAK unterstützt die Proteste der israelischen Anwaltschaft. Sie bittet den Bundesjustizminister, sich bei seiner aktuellen Israel-Reise für den Rechtsstaat in Israel einzusetzen.

22.02.2023Newsletter

Die seit Ende 2022 amtierende israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu plant derzeit eine tiefgreifende Reform des Justizsystems. Ein Gesetzentwurf von Justizminister Yariv Levin sieht unter anderem vor, dass die Knesset Entscheidungen des Supreme Court mit einfacher Mehrheit – also mit der Mehrheit der Regierungsparteien – außer Kraft setzen kann.

Zudem sollen Änderungen im Richterwahlverfahren den bislang starken Einfluss der Anwaltschaft minimieren und damit die anwaltliche Selbstverwaltung schwächen. Sie eröffnen auf diese Weise die Möglichkeit politischer Einflussnahme auf die Besetzung von Richterstellen.

Durch diese Eingriffe in die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz würde das israelische Justizsystem, das unter den demokratisch geordneten Ländern hohes Ansehen genießt, starken Schaden nehmen. Teile des Reformpakets wurden bereits von der Knesset beschlossen.

In Israel wird seit Wochen gegen die geplanten Reformen massiv protestiert. Richterschaft und Anwaltschaft haben sich zum „Protest der schwarzen Roben“ zusammengeschlossen. Die BRAK teilt die Position der Präsidentin des israelischen Supreme Court, Esther Hayut, und der protestierenden Anwältinnen und Anwälte. Sie lehnt die geplanten Änderungen des Rechtssystems in Israel, wie sie von Justizminister Yariv Levin vorgeschlagen werden, entschieden ab.

Anlässlich seiner bevorstehenden Israel-Reise hat die BRAK in einem offenen Brief an Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann gebeten, sich im Interesse der Rechtsstaatlichkeit bei Justizminister Yariv Levin und anderen Regierungsvertretern dafür einzusetzen, dass diese von den Justizreformen Abstand nehmen und den Dialog mit den Protestierenden aus Anwaltschaft und Justiz suchen. In dem Brief äußert BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels zudem seine Sorge, dass durch die bevorstehende Justizreform auch besondere Status der israelischen Anwaltschaft, die derzeit zwischen der Judikative und Exekutive eine ausgleichende und regulierende Kraft bildet, verloren geht.

In einer Online-Veranstaltung am 13.2.2023, die BRAK und Deutsch-Israelische Juristenvereinigung e.V. (DIJV) gemeinsam organisierten, berichtete der frühere Richter des israelischen Supreme Court, Dr. Yoram Danziger, über die besorgniserregende Situation. Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann über die Website des DIJV abgerufen werden.

Elmar Esser, der Vorsitzende der DIJV in Deutschland, berichtet in der aktuellen Folge des BRAK-Podcasts „(R)ECHT INTERESSANT!“ ebenfalls über die geplante Justizreform in Israel und die Proteste dagegen.

Den offenen Brief der BRAK an Buschmann reflektiert die LTO in einem aktuellen Beitrag, der sich mit der Israel-Reise des Ministers vor dem Hintergrund der Justizreformen auseinandersetzt.

Weiterführende Links:

Hintergrund:

Die BRAK setzt sich auch auf internationaler Ebene für Rechtsstaatlichkeit, für eine unabhängige und selbstverwaltete Anwaltschaft und für interkulturellen rechtlichen Dialog ein. Dazu unterhält sie Kontakte zu Anwaltschaftsorganisationen in vielen Ländern und zu Partnerorganisationen wie etwa der Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit e.V. (IRZ).

Mit der Israel Bar Association besteht eine langjährige Kooperation  auf Basis eines Freundschaftsvertrags. Sie steht im Zeichen der Erinnerungskultur und des regelmäßigen Austauschs zwischen jungen israelischen und deutschen Anwältinnen und Anwälten.