Ausgabe 09/2017 vom 04.05.2017
Binnenmarkt
Dienstleistungspaket – Stellungnahmeentwurf des JURI zur Verhältnismäßigkeitsprüfung
Der Rechtsausschuss des EP (JURI) hat den Entwurf einer Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen veröffentlicht. Berichterstatter ist der französische Abgeordnete Gilles Lebreton (ENF - Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit). Er spricht sich in der Stellungnahme gegen den Erlass eines bindenden Instruments wie eine Richtlinie aus. Seiner Ansicht nach hätte eine Empfehlung ausgereicht, um Mindestkriterien vorzugeben, die von den Mitgliedstaaten bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung anzuwenden sind. Ferner gehe der Richtlinienvorschlag über die ständige Rechtsprechung des EuGH hinaus. Er schlägt dementsprechend vor, dass die Beweislast hinsichtlich der (fehlenden) Verhältnismäßigkeit weiterhin der Europäischen Kommission obliegen soll. Ferner soll die für die Mitgliedstaaten vorgesehene Begründungspflicht entfallen. Die Mitwirkung unabhängiger Kontrollstellen bei der Prüfung der Objektivität und Unabhängigkeit der durchgeführten Verhältnismäßigkeitsprüfung soll ebenfalls gestrichen werden.
Die Frist für Änderungsanträge zum Stellungnahmeentwurf läuft bis zum 9. Mai 2017. Federführend für den Richtlinienvorschlag ist der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO). Dieser hat einen Berichtsentwurf für Ende Juni angekündigt.
Weiterführende Links:
- Stellungnahmeentwurf des JURI (April 2017)
- Siehe hierzu auch Nachrichten aus Brüssel 01/2017
Programm zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei Strukturreformen 2017-2020
Das EP hat am 27. April 2017 das von der Europäischen Kommission im Jahr 2015 vorgeschlagene Programm zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei Strukturreformen für den Zeitraum 2017-2020 angenommen. Einen Tag später hat auch der vorbereitende Ausschuss der Ständigen Vertreter des Rates der EU dem verhandelten Text zugestimmt. Mit diesem Programm sollen die Kapazitäten in den Mitgliedstaaten zur Durchführung von institutionellen, administrativen und strukturellen Reformen verbessert werden. Hierfür ist ein Budget von 142,8 Millionen EUR vorgesehen. Die Verwaltung des Programms soll vom Dienst der Kommission zur Unterstützung von Strukturreformen (SRSS) übernommen werden, der im Juli 2015 geschaffen wurde. Der Dienst koordiniert die Unterstützung und stellt Fachwissen für die Umsetzung von wichtigen Strukturreformen bereit, die oft in den länderspezifischen Empfehlungen der EU an die Mitgliedstaaten aufgezeigt werden.
Weiterführender Link:
- Kompromisstext (April 2017)
Strafrecht
EGMR-Urteil - Einsicht in Anwaltskonto rechtswidrig
Am 27. April 2017 hat der EGMR in seinem Urteil in der Sache Rechtsanwalt Prof. Dr. Sommer./. Bundesrepublik Deutschland festgestellt, dass eine Einsicht in das Anwaltskonto des Beschwerdeführers rechtswidrig war.
Im zugrundeliegenden Fall hatte die Staatsanwaltschaft Bochum Informationen über das Geschäftskonto des Beschwerdeführers rückwirkend über mehr als zwei Jahre als Strafverteidiger erlangt, diese zur Akte in einem Strafverfahren gegen dessen Mandanten genommen und es abgelehnt, diese Informationen an ihn herauszugeben oder zu vernichten.
Hintergrund war, dass die Verlobte des Mandanten das Verteidigerhonorar in Höhe von 1.500 EUR auf das Konto des Beschwerdeführers überwiesen hatte. Die Kontodaten einschließlich der Namen von überweisenden Mandanten wurden zur Ermittlungsakte genommen, in die Verteidiger anderer Mitbeschuldigter Einsicht hatten.
In seinem Urteil stellt der EGMR unter Bezugnahme auf §§ 160a, 161 StPO nun fest, dass ein Verstoß gegen Art. 8 der EMRK (Achtung des Berufsgeheimnisses und des Privatlebens) vorliegt. Er begründet dies mit dem weiten Umfang des Auskunftsersuchens, der Offenlegung und der fortgesetzten Speicherung der personenbezogenen Daten sowie der Unzulänglichkeit der Verfahrensgarantien. Der Eingriff war nicht im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK „gesetzlich vorgesehen“ und war nicht „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“. Die Bundesrepublik Deutschland ist zu einer Zahlung in Höhe von 4.000 EUR verurteilt worden.
Die Bundesrechtsanwaltskammer hatte sich als amicus curiae an dem Verfahren beteiligt und vertrat ebenfalls die Auffassung, dass die Eingriffsmaßnahme der Staatsanwaltschaft die geschützte Privatsphäre des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt und Strafverteidiger, der nicht Beschuldigter war, einen Eingriff in Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellte.
Weiterführender Link:
Handbuch: How to defend a European Arrest Warrant Case
Die ECBA (European Criminal Bar Association) hat zusammen mit der britischen Organisation JUSTICE ein Handbuch zur Verteidigung von Fällen mit Europäischem Haftbefehl (EuHb) erarbeitet: „How to defend a European Arrest Warrant Case“. Das Handbuch wurde auf der ECBA-Herbstkonferenz Ende September in Lissabon und erneut auf der Frühjahrskonferenz in Prag vorgestellt. Es handelt sich um eine Onlineversion, die für jedermann zugänglich ist und ständig aktualisiert und überarbeitet wird. Zielgruppe dieses Handbuchs sind vor allem Strafverteidiger, die zum ersten Mal in einem EuHb-Verfahren mandatiert sind und schnell gebündelt Informationen benötigen. Es gibt einen ersten Überblick über die Rechtslage, die Rechtsprechung sowie die Möglichkeiten der Verteidigung von Fällen mit einem Europäischen Haftbefehl. In den einzelnen Kapiteln wird behandelt, wie der Rechtsanwalt in EuHb-Fälle involviert ist und was im Ausführungs- und im Vollstreckungsstaat zu tun ist. Die Texte sind direkt mit Hyperlinks zu den jeweils einschlägigen Gesetzestexten oder der europäischen Rechtsprechung versehen. Am Ende des ersten Teils wird eine Checkliste mit den wichtigsten Punkten aufgeführt. Es ist vorgesehen, dieses Handbuch um nationale Teile zu erweitern, die sich mit dem jeweiligen Prozedere in den Mitgliedstaaten und der dort einschlägigen nationalen Rechtsprechung beschäftigen.
Weiterführender Link:
- Handbuch „How to defend a European Arrest Warrant Case” (September 2016)
Zivilrecht
Europäische Säule der sozialen Rechte – Kommissionsvorschlag und Konsultationen
Die Europäische Kommission hat am 26. April 2017 ihren Vorschlag zur Schaffung einer europäischen Säule sozialer Rechte veröffentlicht. Diese enthält 20 Grundsätze und Rechte, mit denen die Entwicklung der Arbeitsmärkte und Sozialsysteme der EU-Mitgliedstaaten unterstützt werden soll. Hierzu gehören unter anderem das Recht auf Chancengleichheit, faire Arbeitsbedingungen, ein angemessener Kündigungsschutz, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie das Recht auf eine angemessene Gesundheitsversorgung und Arbeitslosenhilfe. Nicht mehr enthalten ist die Zielvorgabe, dass Kündigungen generell mit einer Abfindung verbunden sein sollen. Diese Zielvorgabe hatte die BRAK in ihrer Stellungnahme zur öffentlichen Konsultation zur Schaffung einer Europäischen Säule, die von der Kommission im Jahr 2016 durchgeführt wurde, kritisiert. Gleichzeitig hat die Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben veröffentlicht sowie zwei Konsultationen eingeleitet, die sich an die Sozialpartner richten, die die Interessen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer vertreten. Die Konsultationen betreffen einerseits die Überarbeitung der Richtlinie über schriftliche Erklärungen (91/533/EWG) und andererseits eine mögliche Initiative über einen fairen Zugang zum Sozialschutz.
Weiterführende Links:
- Mitteilung der Kommission zur Einführung einer Säule sozialer Rechte COM(2017) 250 final (April 2017)
- Kommissionsvorschlag für eine interinstitutionelle Proklamation COM(2017) 251 final (April 2017)
- Richtlinienvorschlag zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben COM(2017) 253 final (April 2017)
- Konsultationsdokument zur Überarbeitung der Richtlinie über schriftliche Erklärungen (EN) (April 2017)
- Konsultationsdokument zum Zugang zum Sozialschutz (EN) (April 2017)
- Stellungnahme der BRAK Nr. 13/2017 (März 2017)
- Siehe hierzu auch Nachrichten aus Brüssel 05/2017, 02/2017
Gesellschaftsrecht
Umfrage zu den Auswirkungen von digitalen Werkzeugen auf gesellschaftsrechtliche Aktivitäten
Die Generaldirektion Justiz und Verbraucher der Europäischen Kommission führt derzeit eine Studie zu den Auswirkungen von digitalen Werkzeugen auf gesellschaftsrechtliche Aktivitäten durch. Hierzu hat sie einen kurzen Fragebogen veröffentlicht, der sich insbesondere auf vier gesellschaftsrechtliche Aktivitäten bezieht, und zwar die Unternehmensregistrierung, die Archivierung und Offenlegung von Dokumenten, die Auflösung von Gesellschaften sowie Fusionen. Es sollen insbesondere die sozialen Auswirkungen, die rechtliche Sicherheit sowie illegale bzw. betrügerische Aktivitäten untersucht werden. Der Fragebogen richtet sich schwerpunktmäßig an öffentliche Institutionen und Experten im Bereich des Gesellschaftsrechts, somit auch an Rechtsanwälte.
Weiterführender Link:
- Umfrage der Europäischen Kommission (EN) (April 2017)
Veranstaltungshinweis
Jahreskonferenz der EFCL
Die European Criminal Bar Association (ECBA) hat im Juni 2016 eine Unterorganisation, die European Fraud and Compliance Lawyers (EFCL), gegründet. Am 9. Juni 2017 findet die 2. Konferenz der EFCL in Frankfurt zum Thema Krisenmanagement statt. Hierzu sind Redner aus Deutschland, Italien, England, Polen und den Vereinigten Staaten geladen. Eine Anmeldung ist auf der Internetseite der EFCL möglich.
Weiterführender Link:
Impressum
Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)
Büro Brüssel, Avenue de Nerviens 85/9, 1040 Brüssel,
Tel.: +32 (0)2 743 86 46, Fax: +32 (0)2 743 86 56, E-Mail: brak.bxl(at)brak(dot)eu
Redaktion und Bearbeitung:
RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Hanna Petersen LL.M., RAin Doreen Göcke LL.M., RAin Katrin Grünewald LL.M., Natalie Barth
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