Anerkennung außergerichtlicher Ehescheidungen – EuGH
Der EuGH hat am 15. November 2022 in der Rechtssache C-646/20 Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Standesamtsaufsicht gegen TB entschieden, dass eine von einem Standesbeamten errichtete Scheidungsurkunde, die eine Vereinbarung der Ehegatten über die Ehescheidung enthält, eine Entscheidung im Sinne von Art. 2 Nr.4 der Brüssel-IIa-Verordnung darstellt. Ehescheidungen dieser Art müssten daher ohne weitere Verfahren anerkannt werden.
Im zugrunde liegenden Fall wurde eine in Deutschland geschlossene und in Italien per außergerichtlicher Ehescheidung rechtmäßig geschiedene Ehe in Deutschland mangels vorheriger Anerkennung nicht beurkundet. Der BGH war der Ansicht, dass ein Standesbeamter kein „Gericht“ im Sinne von Art. 2 Nr.4 der Verordnung sei und eine „Entscheidung“ von einer öffentlichen Behörde, nicht den Ehegatten, getroffen werden müsse und legte daher dem EUGH die Frage vor, ob dieser Fall unter die Brüssel-IIa-Verordnung zu subsumieren sei. Der EuGH argumentierte, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung mit Blick auf die Ziele der Regelung ausgelegt werden müssen. Ziel der Brüssel-IIa-Verordnung sei es, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu bilden, in welchem gerichtliche und außergerichtliche Entscheidungen gegenseitig anerkannt werden. Insofern sei unter „Gericht“ jede öffentliche Behörde zu verstehen, die für Rechtssachen gem. Art.1 der Brüssel-IIa-Verordnung zuständig ist. Eine „Entscheidung“ sei jede von einem Gericht erlassene Entscheidung, ohne Rücksicht auf die Bezeichnung der jeweiligen Entscheidung, wie Urteil oder Beschluss. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass die Kontrolle über die Entscheidung bei der öffentlichen Behörde liege. Dies sei der Fall, wenn eine Prüfung der nationalen Vorschriften in der Sache durch die Behörde erfolgte. Somit liege hier eine "Entscheidung" im Sinne der Brüssel-IIa-Verordnung vor.
Weiterführender Link:
- Urteil des EuGH (November 2022)