Keine Aussetzung einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rückgabe eines Kindes ohne Begründung – EuGH
Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung über die Aussetzung der Vollstreckung einer Entscheidung über das Verbringen oder Zurückhalten von Kindern entgegen.
Ein mit seinen Kindern in Irland lebendes polnisches Ehepaar streitet in dem Verfahren vor dem EuGH über den gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder, nachdem die Ehefrau mit diesen nach einem Sommerurlaub in Polen nicht nach Irland zurückkehrte. Der Vater erwirkte in Polen eine rechtskräftige Entscheidung, nach der die Mutter die Rückgabe der Kinder nach Irland binnen sieben Tagen sicherzustellen hatte und beantragte, die Entscheidung mit einem Vollstreckbarkeitsvermerk zu versehen. Der Beauftragte für Kinderrechte und der Generalstaatsanwalt stellten einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung. Dieses Aussetzungsverfahren ist in der polnischen Zivilprozessordnung geregelt. In seinem Urteil in der Rechtssache C-638/22 PPU | Rzecznik Praw Dziecka u.a. (Aussetzung der Rückgabeentscheidung) im Eilvorabentscheidungsverfahren weist der Gerichtshof darauf hin, dass nach der Brüssel-IIa-Verordnung, die das Haager Übereinkommen von 1980 ergänzt und präzisiert, die zuständigen Gerichte der Mitgliedstaaten eine Entscheidung über die Rückgabe des betroffenen Kindes grundsätzlich spätestens sechs Wochen nach der Anrufung des Gerichts unter Anwendung der zügigsten Verfahren des nationalen Rechts erlassen sollen. Nur in besonderen, außergewöhnlichen und ordnungsgemäß begründeten Fällen ist es möglich, die Rückgabe eines widerrechtlich entführten Kindes nicht anzuordnen. Das für den Erlass einer Rückgabeentscheidung geltende Gebot der Wirksamkeit und der Beschleunigung gilt für die nationalen Stellen auch im Rahmen der Vollstreckung einer solchen Entscheidung.
Mit der schnellstmöglichen Vollstreckung einer Entscheidung, die eine unverzügliche Rückgabe des Kindes ermöglicht, soll ebenfalls die Wahrung der in der Charta der Grundrechte gewährleisteten Grundrechte und insbesondere der Grundrechte des Kindes sichergestellt werden. Dem EuGH zufolge ist die vom polnischen Gesetzgeber erlassene Regelung, laut welcher der Beauftragte für Kinderrechte, der Generalstaatsanwalt und der Beauftragte für Bürgerrechte die Aussetzung der Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen beantragen können, geeignet, die praktische Wirksamkeit der Brüssel-IIa-Verordnung zu beeinträchtigen.
Weiterführender Link:
- Pressemitteilung des EuGH (Februar 2023)