3x BGH zum beA

beA-Nutzungspflicht meint wirklich Pflicht!

Der BGH hat in drei Beschlüssen Anwältinnen und Anwälte daran erinnert, dass es nur wenige Ausnahmen von der strengen beA-Nutzungspflicht gibt.

20.02.2023beA & ERV

Die Linie des Bundesgerichtshofs (BGH) im Hinblick auf die Benutzungspflicht des beA ist bereits seit Langem klar: „Ausreden“ von Anwältinnen und Anwälten, warum sie das beA in ihrem speziellen Fall nicht nutzen konnten, finden nur sehr selten Gehör. Diese Haltung hat der BGH nun in drei weiteren aktuellen Beschlüssen bestätigt und an die anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei der Benutzung des beA erinnert:

  1. Anwältinnen und Anwälte müssten ihr Kanzlei-Personal klar anweisen, wie mit dem beA umzugehen ist. Dies umfasse eine Kontrolle des Versandvorgangs und insbesondere der Bestätigung des Eingangs bei Gericht gem. § 130a Abs. 5 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) (Beschl. v. 11.01.2023, Az. IV ZB 23/21).
  2. Die Erkrankung eines Anwalts am Urlaubsort führe nicht dazu, dass dieser ausnahmsweise ein Fax anstelle des beA nutzen darf. In der Person liegende Gründe seien nicht gleichzusetzen mit technischen Gründen im Sinne des § 130d Satz 2 ZPO (Beschl. v. 25.01.2023, Az. IV ZB 7/22).
  3. Das Wissen um die Benutzungspflicht des beA nach § 130d Satz 1 ZPO gehöre zum Basiswissen eines Anwalts. Deshalb könne er sich nicht darauf berufen, in einer Rechtsbehelfsbelehrung sei nur von einer optionalen Versandmöglichkeit als elektronisches Dokument die Rede gewesen (Beschl. v. 10.02.2023, Az. VIII ZB 41/22).

Fall 1: Klare Anweisungen an Personal zur Nutzung des beA

Der ersten Entscheidung lag ein Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Köln zugrunde, in dem es einen Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen hatte. Kurz vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist wies ein Anwalt seine Mitarbeiterin an, einen Schriftsatz mit dem Antrag auf Fristverlängerung per beA an das OLG zu übermitteln. Die Angestellte wollte diesen gemeinsam mit mehreren anderen Anträgen an dasselbe Gericht übersenden. Das hier maßgebliche Schreiben kam dort jedoch nie an. Im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags trug der Rechtsanwalt vor, seine Mitarbeitenden angewiesen zu haben, immer zu prüfen, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt wurde. Dies müsse dem Rechtsanwalt gemeldet werden und erst dann dürfe die Frist gelöscht werden. In diesem Fall hatte die Mitarbeiterin die erfolgreiche Übermittlung zwar gemeldet, tatsächlich aber übersehen, dass genau zu diesem Fall die Eingangsbestätigung gefehlt hatte.

Der BGH verwarf nun auch die Rechtsbeschwerde gegen den OLG-Beschluss und nahm den Fall zum Anlass, noch einmal ausführlich über die notwendige interne Kanzleiorganisation aufzuklären. Der Anwalt sei nicht gem. § 233 ZPO ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen, die Frist einzuhalten. Ein Rechtsanwalt habe sicherzustellen, dass ein Schriftsatz innerhalb der Frist bei Gericht eingeht. Dies erfordere eine intensive Schulung des Personals darüber, wie genau die Kontrolle der Eingangsbestätigung zu erfolgen habe. Rechtsanwälte und –anwältinnen müssten ihren Mitarbeitenden zeigen, an welcher Stelle innerhalb der benutzten Software die elektronische Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu finden ist und welchen Inhalt sie haben muss. Insbesondere müsse klar werden, welches Dokument das richtige sei, weil dieses nicht mit dem Übermittlungsprotokoll verwechselt werden dürfe, dessen Vorliegen für die Ausgangskontrolle nicht genüge.

Fall 2: Vorkehrungen bei Erkrankung des Anwalts während Urlaub

Im zweiten Fall hatte zunächst das Kammergericht (KG) Berlin die von einem Anwalt eingelegte Berufung als unzulässig verworfen. Die Begründungsfrist fiel auf den 4. Januar 2022, als bereits die aktive Benutzungspflicht des beA galt. Dennoch schickte der Anwalt die Begründung an diesem Tag lediglich per Fax an das Gericht. Später trug er hierfür technische Gründe vor. Er sei während seines Urlaubs in Österreich an Corona erkrankt gewesen und habe deshalb nicht in seine Kanzlei zurückkehren können, um dort das beA zu nutzen. Auch der andere Anwalt aus seiner Bürogemeinschaft hätte hier nicht aushelfen können, da dieser auf seine Rückkehr am 2. Januar vertraut habe und deshalb am 4. Januar ebenfalls im Urlaub gewesen sei.

Diese Begründung reichte dem BGH jedoch ebenso wenig wie dem KG. In der Person des Einreichers liegende Gründen seien nicht dasselbe wie „technische Gründe“ iSd § 130d Satz 2 ZPO. Der Gesetzgeber habe explizit keine persönlichen Gründe wie Krankheiten erfassen wollen.

Auch der Wiedereinsetzungsantrag sei zu Recht abgelehnt worden, weil der Anwalt nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen sei. Ist ein Einzelanwalt ohne eigenes Personal tätig, müsse er ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall treffen, zum Beispiel durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen. Wird er unvorhergesehen krank, müsse er konkret nur das unternehmen, was ihm dann noch möglich und zumutbar ist. Zwar mag es unvorhergesehen gewesen sein, dass die grundsätzlich bestehende Absprache im konkreten Fall aus unvorhergesehenen Gründen nicht ausgereicht habe. Dann hätte er sich aber alternativ auf die Suche nach einem anderen vertretungsbereiten Rechtsanwalt machen müssen. Dieser hätte dann entweder die bereits fertiggestellte Berufungsbegründung oder - nach Einholung der Zustimmung der Beklagten – zumindest einen Fristverlängerungsantrag per beA versenden können. Angesichts des Auftretens von Symptomen bereits am 1. Januar 2022 hätte sich der Anwalt auf die Möglichkeit vorbereiten müssen, nicht am 4. Januar wieder in der Kanzlei zu sein, zumal er wusste, dass der mit ihm in Bürogemeinschaft tätige Rechtsanwalt nicht erreichbar war.

Fall 3: Anwalt darf nicht auf irreführende Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen

Der letzte Fall lässt sich prägnant mit folgendem Satz des BGH zusammenfassen: „Ein Rechtsanwalt muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen.“ Das gilt auch dann, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung eines noch 2021 versendeten Urteils eines Amtsgerichts die Formulierung enthielt: „Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingereicht werden.“ Unabhängig von der Frage, ob diese Rechtsbehelfsbelehrung des Gerichts fehlerhaft sei, könne sich der Rechtsanwalt hier jedenfalls nicht auf mangelndes Verschulden berufen und deshalb die Wiedereinsetzung der versäumten Frist verlangen.

Es fehle zumindest am ursächlichen Zusammenhang zwischen einem möglichen Belehrungsmangel und der Fristversäumung. Auf eine möglicherweise fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung dürfe ein Anwalt sich nur berufen, wenn diese zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum geführt hat. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Von einem Rechtsanwalt könne erwartet werden, dass er selbst die Voraussetzungen für die wirksame Einlegung eines Rechtsmittels kennt. Diese Voraussetzungen habe er im hier gegebenen Fall einer Rechtsänderung während der laufenden Frist zur Einlegung der Berufung sogar mit erhöhter Sorgfalt zu überprüfen. Als Anwalt hätte er daher darüber informiert sein müssen, dass die Berufungseinlegung seit dem 1. Januar 2022 nicht mehr – wie in diesem Fall am 3. Januar 2022 geschehen – in Papierform, sondern nach § 130d ZPO nur noch per beA versendet werden kann.