VG Wiesbaden zum Datenschutz

Anwältin darf Gesundheitsdaten der Gegenseite vortragen

In einem arbeitsrechtlichen Prozess dürfen Anwälte Gesundheitsdaten der Gegenseite zitieren. Sonst könnten sie ihren Job nicht machen, so das VG.

17.03.2022Rechtsprechung

Der Kläger, ein angestellter Volljurist, war längere Zeit krankgeschrieben, sodass er seine Arbeitgeberin um ein Gespräch zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 167 SGB IX bat. Das BEM soll insbesondere nach längerer Krankheit die Rückkehr in die Arbeitswelt erleichtern und erneuter Krankheit vorbeugen. Dieses Gespräch endete jedoch ergebnislos, woraufhin der Volljurist gegen seine Arbeitgeberin Klage auf behindertengerechte Beschäftigung und Schadensersatz vor dem Arbeitsgericht Hannover einreichte.

Innerhalb dieses arbeitsrechtlichen Prozesses trug die Rechtsanwältin der Arbeitgeberin Inhalte aus dem BEM-Gespräch vor. Das Arbeitsgericht wies die Klage des Juristen ab.

Daraufhin wandte der sich an die Landesbeauftragte für Datenschutz Niedersachsen (LfD). Er war der Meinung, dass die Anwältin keinen Zugang zu der BEM-Akte hätte haben und nicht daraus hätte zitieren dürfen. Die LfD lehnte seine Beschwerde jedoch ab und verwies auf eine Stellungnahme der Anwältin, dass diese lediglich von ihrer Mandantin, der Arbeitgeberin, eine mündliche Zusammenfassung des BEM-Gesprächs erhalten habe.

Nun verklagte der Volljurist die LfD darauf, gegen die Anwältin vorzugehen. Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden  einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und deren Grundsätze feststellen, weil die Anwältin Zugang zur BEM-Akte gehabt und aus dieser im arbeitsrechtlichen Prozess vorgetragen habe.

Tätigkeit von Anwälten wäre sonst unmöglich

Erfolg hatte er damit nicht: Das VG Wiesbaden wies seine Klage ab. Zum einen habe der Kläger seine Daten aus dem BEM-Gespräch selbst in den arbeitsrechtlichen Prozess eingebracht. Zum anderen sei die Anwältin zwar Verantwortliche für die Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO, die Datenverarbeitung sei aber rechtmäßig gewesen (VG Wiesbaden, Urt. v. 19.01.2022, Az. 6 K 361/21.W). .

Die Anwältin, welche die Arbeitgeberin des Klägers vertritt, habe ein berechtigtes Interesse daran, die Angaben zu verarbeiten. Dieses Interesse ergebe sich schon aus ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihrer Mandantin. Die Tätigkeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten wäre unmöglich, wenn diese nicht grundsätzlich vortragen dürften, was der Mandant mitteilt. Sie würden sich, so das VG, sogar ihrerseits der Gefahr der Anwaltshaftung aussetzen, wenn sie entgegen § 138 Abs. 2, Abs. 3 Zivilprozessordnung nicht den Vortrag der gegnerischen Partei bestritten und den Sachverhalt aus der Perspektive der Mandantschaft darstellten. Aus anwaltlicher Vorsicht sei die Anwaltschaft gehalten, umfassend vorzutragen und zu bestreiten.

Auch im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung entschied das Gericht zugunsten der Anwältin. Schließlich seien die Daten, die sie verwendet hatte, nicht rechtswidrig beschafft worden.

Dadurch, dass der klagende Jurist selbst Inhalte aus dem BEM-Gespräch vor dem Arbeitsgericht vorlegte, wäre schließlich ein faires Verfahren nicht gewährleistet, wenn sich die Gegenseite nicht auch mit entsprechenden Angaben wehren könnte. Diese Wertung enthalte auch die DSGVO, die eine Verarbeitung auch von Gesundheitsdaten erlaubt, wenn diese erforderlich ist, um Rechtsansprüche geltend zu machen, auszuüben oder zu verteidigen (Art. 9 Abs. 2 lit f. DSGVO).