Fortdauer der U-Haft: BVerfG rügt zu langsame Verhandlung
Die U-Haft darf nicht mit vager Begründung verlängert werden. Dauert die Hauptverhandlung länger, so brauche es gewichtige Gründe, so das BVerfG.
Wird die Untersuchungshaft mit einer bloß vagen Begründung weiter verlängert, so liegt ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz vor, so das BVerfG. Insbesondere der Hinweis auf „mehr Vorbereitungszeit für die Verteidigung“ und „Terminschwierigkeiten bei allen Beteiligten“ allein reiche nicht aus. Es brauche vielmehr besondere Gründe, um die U-Haft weiter zu verlängern, weil sich die Hauptverhandlung über einen langen Zeitraum erstreckt (Beschl. v. 05.02.2025, Az. 2 BvR 24/25 u. 2 BvR 69/25).
Terminsdichte von 0,66 Tagen pro Woche angesetzt
Die Angeklagten, zwei Männer, sitzen bereits seit Juli 2023 in U-Haft. Ihnen wird wegen eines Brandanschlags auf ein Wohnhaus versuchter Mord in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung in zehn Fällen vorgeworfen. Das LG Chemnitz eröffnete mit Beschluss vom 3. April 2024 das Hauptverfahren und ordnete die Haftfortdauer an. Nach § 121 Abs. 1 StPO darf die U-Haft eigentlich nur dann länger als sechs Monate andauern, wenn wichtige Gründe die Fortdauer der Haft rechtfertigen. Doch die Verhandlungstermine zogen sich weitaus länger hin: Die ersten sechs Verhandlungstermine fanden im Mai und Juni 2024 statt. Weitere 15 Termine bestimmte das Gericht erst sukzessive zunächst bis zum 17. Dezember 2024. Später wurden noch einmal sechs weitere Termine bis zum 14. Februar 2025 angesetzt. Insgesamt ergab sich daraus eine Terminsdichte von 0,66 Tagen pro Woche, wobei die Verhandlungen teils nur sehr kurz waren.
Bereits im Oktober hatten die Verteidiger im Wege der Haftprüfung die Aufhebung des Haftbefehls beantragt und einen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz aufgrund zu geringer Terminsdichte gerügt. Doch das LG ordnete die Fortdauer an, das OLG Dresden bestätigte dies. Zwar sah das OLG selbst, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben bei längeren Hauptverhandlungen (mehr als ein durchschnittlicher Verhandlungstag pro Woche an) andere sind. Doch allein auf eine „mathematische Auswertung der entsprechenden Statistik“ komme es hier nicht an. Wichtiger seien folgende Gründe gewesen: Zwar sei das ursprüngliche Beweisprogramm bereits weitgehend abgearbeitet gewesen, die Verteidigung habe aber Vorbereitungszeit benötigt, um daraufhin noch einmal Zeugen zu befragen. Zudem hätte es terminliche Probleme bei allen Verfahrensbeteiligten inklusive der Schöffen gegeben.
BVerfG: Vage Begründung reichte nicht
Das BVerfG sah diese Begründung nun als nicht tragfähig an, weshalb die Inhaftierten in ihrem Recht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 GG verletzt seien. Die Entscheidung des OLG genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung der Haftfortdauer. Es hätte besondere Umstände aufzeigen müssen, warum das LG hier ausnahmsweise von der geforderten Terminsdichte abweichen durfte.
Der vage Hinweis, die Verteidigung benötige Vorbereitungszeit für die Vernehmung weiterer Zeugen, genüge nicht. Zumal die Beweiserhebungen ja offensichtlich bereits weitestgehend durchgeführt worden waren. Auch habe das OLG nicht geprüft, ob die Ortsabwesenheiten und terminlichen Verhinderungen des Gerichts bzw. der Schöffen von mehr als einem Monat durch zwingende und nicht der Justiz anzulastende Gründe veranlasst seien – denn nur dann seien sie zu beachten gewesen. Und das Hinausschieben der Hauptverhandlung wegen Terminschwierigkeiten der Verteidiger sei generell kein Umstand, der eine erhebliche Verzögerung rechtfertigen könnte. Für die Planung von lediglich sechs Terminen in sieben Wochen in den Monaten Januar und Februar 2025 fehlte dem BVerfG dann sogar jegliche Begründung. Und dies, obwohl spätestens jetzt bereits eingetretene Verfahrensverzögerung hätte ausgeglichen werden müssen.
Zwar bleiben die Männer erst einmal weiter in Haft. Das BVerfG hat die Anträge, die Haftbefehle erst einmal außer Vollzug zu setzen, wegen der Vorwegnahme der Hauptsache als unzulässig abgewiesen. Allerdings muss das OLG nun erneut unter Beachtung der Vorgaben des BVerfG über die Haftfortdauer entscheiden.