BVerfG bezieht Stellung

BVerfG äußert sich zu Resilienz-Plänen

Bereits im Juli einigten sich die Regierungsfraktionen im Bundestag mit der Unionsfraktion auf Pläne, das BVerfG vor Verfassungsfeinden zu schützen.

25.09.2024Gesetzgebung

Das BVerfG hat sich am 11. September 2024 in einem Plenumsbeschluss über die möglichen Pläne zu seiner eigenen Stärkung geäußert. Das BMJ hatte dem BVerfG mit Schreiben vom 26. Juli 2024 zwei Gesetzentwürfe hierzu übersandt.

Bereits Ende Juli 2024 hatten sich die Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP – nach langem Ringen - mit der Union auf ein Konzept zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor potenziellen Demokratiefeinden geeinigt. Insbesondere soll die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit des Gerichts im Grundgesetz selbst abgesichert werden, damit dessen Grundlagen nicht mit einfacher Mehrheit durch einen potenziell demokratiefeindlichen Gesetzgeber geändert werden können. Hintergrund der Pläne sind das Erstarken der AfD in Deutschland sowie bekannte Angriffe auf Verfassungsgerichte in anderen Ländern wie Polen und Ungarn.

BVerfG zur Grundgesetzänderung

Die Pläne sehen vor, bisher im BVerfGG – einem einfachen Gesetz – zentrale und bewährte Strukturvorgaben für das BVerfG in Art. 93 und 94 GG zu verankern. Weil die Änderung des Grundgesetzes eine Zweidrittelmehrheit benötigt, soll es künftig nicht mehr so leicht möglich sein, die Funktionsfähigkeit des BVerfG durch einfachgesetzliche Änderungen zu schwächen. Folgende Punkte sollen – sachlich unverändert - demnach ins Grundgesetz übernommen werden:

  • der Status des Gerichts
  • die Amtszeit der Richterinnen und Richter (12 Jahre) 
  • die Altersgrenze der Richterinnen und Richter (68 Jahre)
  • die Zahl der Richterinnen und Richter (16)
  • die Zahl der Senate (2)
  • der Ausschluss der Wiederwahl der Richterinnen und Richter
  • die Fortführung der Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers
  • die Bindungswirkung der Entscheidungen des Gerichts
  • die Geschäftsordnungsautonomie des Gerichts 

Das BVerfG begrüßt das Bestreben des Gesetzgebers, die Funktionsbedingungen der Verfassungsgerichtsbarkeit zu sichern. 1949 habe man im GG lediglich die Grundzüge eines BVerfG ausgeformt – schließlich habe es hierfür keine institutionellen Vorbilder gegeben. Die spätere Konkretisierung habe man dem Gesetzgeber durch einfaches Bundesgesetz überlassen. 75 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes sei eine nähere verfassungsrechtliche Konturierung des BVerfG „möglich und überzeugend“. Gegen den Vorschlag, viele der „statusprägenden und in jahrzehntelanger Verfassungspraxis bewährten einfachgesetzlichen Regelungen“ in das GG zu überführen, erhebe das BVerfG keine Einwendungen.

BVerfG enthält sich zu der Wahl-Problematik

Der wohl am umstrittenste Punkt bei der Frage, wie das BVerfG abgesichert werden soll, war die der Wahl der Richterinnen und Richter. Laut Art. 94 Abs. 1 S. 2 GG werden sie je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt. Derzeit sieht das BVerfGG in § 6 Abs. 1 S. 2, § 7, § 9 Abs. 3 BVerfGG vor, dass hierfür innerhalb der beiden Organe jeweils eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, damit Richterinnen und Richter gewählt werden können. Einige plädierten nun dafür, auch dieses Quorum mit ins GG aufzunehmen. Dagegen sprach aber, dass damit eine Oppositionsfraktion mit der Stärke eines Drittels des Bundestages – was für die AfD realistisch zu erreichen wäre – über eine Sperrminorität verfügen würde. Daher sah man nach langen Diskussionen davon ab, die Wahlgrundsätze ins GG zu übernehmen und entschied sich für folgende Regelung:

Im GG soll eine Öffnungsklausel eingefügt werden, damit – zeitweilig – von der verfassungsrechtlichen Vorgabe abgewichen werden kann, dass die Mitglieder des BVerfG zur Hälfte vom Bundesrat und Bundestag gewählt werden. Mittels einer einfachgesetzlichen Neuregelung soll sichergestellt werden, dass das BVerfG handlungsfähig bleibt, auch wenn es im zuständigen Wahlorgan (Bundestag oder Bundesrat) zu dauerhaften Schwierigkeiten kommt, sich auf einen von einer Zweidrittelmehrheit getragenen Kandidaten zu einigen. Für diesen Fall soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass das Wahlrecht auch durch das andere Wahlorgan ausgeübt werden kann. Konkret soll dies so aussehen: Kann sich ein Wahlorgan nicht auf einen Kandidaten einigen oder wird die Wahl durch eine Sperrminorität blockiert, schlägt – wie bisher schon im BVerfGG vorgesehen – das BVerfG drei Kandidaten vor. Bundestag und Bundesrat sind an diese Vorschläge weiterhin nicht gebunden. Hat das zuständige Wahlorgan nach drei Monaten keinen Nachfolger gewählt, kann auch das andere Wahlorgan an seiner Stelle einen Richter wählen.  

Dieses neu gefundene Verfahren sowie den Entschluss, es nicht vollständig im GG zu verankern, kommentierten die Verfassungsrichterinnen und -richter letztlich nicht. Hier habe „sich ein parteiübergreifender Konsens bewährt“. Es sprächen jeweils gut nachvollziehbare Argumente dafür als auch dagegen, die Zweidrittelmehrheit in der Verfassung zu verankern. Diese fußten nicht zuletzt auf unterschiedlichen prognostischen Einschätzungen über künftige politische Mehrheitsbildungen. Hier stünden auch dem BVerfG „keine weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung“. „Vor diesem Hintergrund sieht das Bundesverfassungsgericht insoweit von einer Stellungnahme ab,“ heißt es abschließend in der Stellungnahme.

Weiterführende Links:

Plenumsbeschluss des BVerfG

Konzept zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts

Presseerklärung der BRAK Nr. 3/2024

Homepage der AG "Sicherung des Rechtsstaates"

Videokampagne #Aufstehen für den Rechtsstaat, Artikel v. 01.03.2024