Presserat rügt identifizierende BILD-Berichterstattung über Anwältin
Die BILD hatte im Sommer 2024 identifizierend und in hetzerischer Weise über die Anwältin berichtet, die den Attentäter von Solingen zuvor in dessen Asylverfahren vertreten hatte. Sie wurde daraufhin massiv bedroht. Der Presserat rügte nunmehr die Berichterstattung durch BILD.
Nach dem Messerattentat in Solingen im August 2024, bei dem drei Menschen getötet wurden, berichteten verschiedenen Medien, darunter auch die BILD, über die Rechtsanwältin, die den mutmaßlichen Attentäter ein Jahr zuvor in seinem Asylverfahren vertreten hatte. In reißerischer Weise wurde in der BILD dargestellt, wie die Anwältin Hilfe zur Vereitelung der Abschiebung geleistet haben soll.
In der Folge wurde die Anwältin massiv bedroht. Unter anderem fand eine Kundgebung der rechtsextremen Identitären Bewegung vor ihrer Kanzlei statt. Berichten zufolge ist sie zudem massiven Beleidigungen und Bedrohungen in sozialen Medien und auf anderen Kanälen ausgesetzt und erhält Polizeischutz.
Die BRAK verurteilte diese Art der Darstellung anwaltlicher Tätigkeit sowie die darin zum Ausdruck kommende Gleichsetzung von Anwältin und Mandant als hochgradig unethisch.
Gegen die Berichterstattung der BILD wurden Beschwerden beim Presserat eingelegt. Im Dezember erteilte dieser der BILD eine öffentliche Rüge wegen der identifizierenden Berichterstattung über die Anwältin. Unter der Überschrift „Half sie dem Solingen-Terroristen, seiner Abschiebung zu entgehen?” habe die Redaktion ein verpixeltes Foto der Anwältin gezeigt. Nach Ansicht des Presserats wurde die Betroffene jedoch durch ihre Physiognomie und Frisur sowie weitere, im Text des Beitrags genannte Details zu ihrer Person für ein näheres Umfeld erkennbar. Da ihre anwaltliche Tätigkeit für den späteren Attentäter weit vor der Tat stattgefunden hatte und sie sich damit auch nicht strafbar gemacht hatte, überwog der Schutz ihrer Persönlichkeit das öffentliche Interesse an ihrer Identität gemäß Ziffer 8 des Pressekodex.
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Hintergrund:
Mit der presse- und strafrechtlichen Aufarbeitung dieser Vorfälle und möglichen Schutzmaßnahmen für betroffene Anwältinnen und Anwälte befassen sich zwei aktuelle Folgen des Podcasts „(R)ECHT INTERESSANT!“ mit BRAK-Vizepräsidentin Sabine Fuhrmann und der Migrationsrechtlerin Dr. Kati Lang.
Die Bedrohung von Anwältinnen und Anwälten wegen ihrer beruflichen Tätigkeit – und auch der „Fall Dresden“ – war auch Gegenstand der Konferenz „Anwaltschaft im Blick der Wissenschaft“ am 8.11.2024 in Hannover.