Nachrichten aus Berlin | Ausgabe 13/2023

Vaterschaftsanfechtung: BRAK nimmt Stellung zu Verfassungsbeschwerde

Bis wann und unter welchen Voraussetzungen ein leiblicher Vater die Vaterschaft anfechten kann, wenn ein anderer Mann aus rechtlichen Gründen als Vater seines Kindes gilt, ist Gegenstand eines Verfassungsbeschwerdeverfahren. Dazu hat die BRAK auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichts Stellung genommen.

28.06.2023Newsletter

Bis zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen ein leiblicher Vater die unter bestimmten Voraussetzungen mögliche rechtliche Vaterschaft eines anderen anfechten kann, ist die Kernfrage eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens, zu dem die BRAK auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) Stellung genommen hat.

Rechtlicher Vater ist ein Mann, dessen Vaterschaft u.a. durch Ehe mit der Mutter oder durch Vaterschaftsanerkennung mit deren Zustimmung begründet wurde. Nach geltendem Recht (§ 1600 II BGB) ist eine Anfechtung nicht mehr möglich, wenn sich zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater bereits eine sozial-familiäre Beziehung gebildet hat. Diese Regelung geht auf eine Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2003 zurück. Damals war die Anfechtung für den leiblichen Vater ausnahmslos ausgeschlossen, was nach Ansicht des BVerfG das Elternrecht aus Art. 6 GG verletzte. In der Folge wurde das derzeitige begrenzte Anfechtungsrecht geschaffen, das Rücksicht auf die sozial-rechtliche Familie des Kindes nimmt. Unklarheiten zeigten sich jedoch in der Frage, welcher Zeitpunkt für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater und damit für den Ausschluss des Anfechtungsrechts maßgeblich sein sollte.

Der Verfassungsbeschwerde liegt eine Entscheidung des OLG Naumburg zugrunde. Der Beschwerdeführer ist leiblicher Vater eines im April 2020 geborenen Kindes, mit dessen Mutter er bis Juni 2020 zusammenlebte; dann beendete diese die Beziehung. Einen standesamtlichen Termin zur Vaterschaftsanerkennung ließ die Mutter platzen. Während des von ihm eingeleiteten Vaterschaftsfeststellungsverfahrens beim AG Halle erhielt der Beschwerdeführer davon Kenntnis, dass der neue Partner der Mutter im August 2020 mit deren Zustimmung die Vaterschaft für das Kind anerkannt hatte. Er beantragte daraufhin die Anfechtung der Vaterschaft. Die leibliche Vaterschaft wurde durch ein vom AG eingeholtes Abstammungsgutachten zweifelsfrei bestätigt.

Das AG stellte schließlich fest, dass nicht der neue Partner der Kindesmutter, der die Vaterschaft anerkannt hatte, sondern der Beschwerdeführer Vater des Kindes sei, weil zum Zeitpunkt der Antragstellung noch keine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater bestanden habe.

Auf die von der Mutter und deren neuem Partner eingereichte Beschwerde hob das OLG Naumburg die Entscheidung des AG auf und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters als unbegründet ab. Dabei stellte es darauf ab, dass der Beschwerdeführer nicht bewiesen habe, dass noch keine sozial-familiäre Beziehung zum rechtlichen Vater bestanden habe. Ein längeres Zusammenleben mit dem Kind sei zwar ein Indiz, nicht aber notwendige Voraussetzung. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung sei der Schluss der Beschwerdeinstanz; eine Vorverlagerung auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung sei nicht möglich.

Gegen die Entscheidung des OLG Naumburg wendet der Beschwerdeführer sich mit seiner Verfassungsbeschwerde, die die BRAK in ihrer Stellungnahme für begründet hält. Das OLG habe sich über die Rechtsprechung des BVerfG aus dem Jahr 2018 hinweggesetzt, wonach auch dann, wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine sozial-familiäre Beziehung bestand, dies den endgültigen Ausschluss des leiblichen Vaters vom Zugang zur rechtlichen Elternstellung grundsätzlich nicht rechtfertigt, wenn der leibliche Vater – als ihm die rechtliche Vaterschaft offenstand – alles getan hat, diese zu erlangen. Die BRAK führt dazu noch weitere Gesichtspunkte an, die hier zu berücksichtigen gewesen wären, u.a. den regelmäßigen Umgang des leiblichen Vaters mit seinem Kind.

Ferner hat die BRAK aus Sicht der familienrechtlichen Anwaltspraxis zu ergänzenden Fragen Stellung genommen, die das BVerfG gestellt hat. Diese beziehen sich u.a. auf Zahl und Dauer von Vaterschaftsanfechtungsverfahren, die durch biologische Väter eingeleitet werden, sowie darauf, welche Auswirkungen die rechtliche Zuordnung eines Kindes zu einem Vater hat und wie lange es dauert, bis ein Kind eine stabile Bindung zu einer im Haushalt lebenden Bezugsperson entwickelt.

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