Nachrichten aus Berlin | Ausgabe 8/2023

Strafprozess: Hauptverhandlungen sollen nur per Ton aufgezeichnet werden

Ein im November 2022 vorgelegter Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums sah vor, strafgerichtliche Hauptverhandlungen künftig audiovisuell zu dokumentieren. Nach heftiger Kritik aus der Richterschaft soll die Dokumentation sich nunmehr auf Tonaufnahmen beschränken.

20.04.2023Newsletter

Mit einem Ende November vorgelegten Referentenentwurf für ein Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung wollte das Bundesjustizministerium für eine umfassende und zeitgemäße Dokumentation von Hauptverhandlungen im Strafprozess sorgen. Bislang werden Protokolle von Strafverhandlungen auf der Basis richterlicher Notizen erstellt. Der Entwurf sah im Kern vor, dass Hauptverhandlungen künftig mit Bild-Ton-Aufzeichnungen dokumentiert und zudem automatisch in Textdokumente transkribiert werden. Die Anwaltschaft forderte bereits seit Langem eine audiovisuelle Dokumentation, die BRAK hatte dies erst jüngst bekräftigt.

Der Gesetzentwurf wurde in der Öffentlichkeit breit diskutiert und vor allen in Richterschaft und Staatsanwaltschaft scharf kritisiert. Kritikpunkte waren unter anderem, dass Zeuginnen und Zeugen durch die Videoaufnahmen eingeschüchtert werden könnten, und die hohen Kosten für die Justiz. Zudem wurde befürchtet, die Revision werde aufgrund des Transkripts zu einer weiteren Tatsacheninstanz.

Das Bundesjustizministerium hat Anfang April einen Kompromissvorschlag vorgelegt. Der neue Referentenentwurf verzichtet auf eine audiovisuelle Dokumentation. Stattdessen sollen nur noch die Tonaufzeichnung sowie deren Transkription per Software in ein Textdokument verpflichtend sein. Videoaufzeichnungen sollen optional möglich sein.

Der neue Entwurf reagiert auf eine Reihe weiterer Kritikpunkte. Unter anderem stellt er klar, dass der Bundesgerichtshof aufgrund des Transkripts nicht zu einer Tatsacheninstanz wird. Dem Transkript soll kein Protokollcharakter zukommen, es soll nur ein Hilfsmittel für das Verfahren in der Tatsacheninstanz sein. Auch den befürchteten Kapazitätsproblemen der Justiz wird Rechnung getragen, da für reine Tonaufzeichnungen weniger Kosten- und Personalaufwand entsteht.

Die ersten Reaktionen auf den Kompromiss-Entwurf sind unterschiedlich. Während sich die Länder zuvor geschlossen gegen Videoaufzeichnungen ausgesprochen hatten, äußerte sich etwa Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina zustimmend.

Die BRAK wird sich auch mit dem neuen Referentenentwurf intensiv auseinandersetzen.

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