Nachrichten aus Berlin | Ausgabe 9/2023

BGH: Wiedereinsetzung nur bei unverschuldetem Computerdefekt

Wer wegen eines Computerdefekts eine Rechtsmittelfrist versäumt, muss näher darlegen, um welchen Defekt es sich handelte und was zur Behebung unternommen wurde. Dabei darf nicht die Möglichkeit offen bleiben, dass das Fristversäumnis, etwa durch einen Bedienfehler oder mangelnde Wartung, verschuldet sei.

03.05.2023Newsletter

Wer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf einen vorübergehenden Funktionsausfall eines Computers stützt, muss näher darlegen, welcher Art der Defekt war und was zu seiner Behebung unternommen wurde. Die glaubhaft gemachten Tatsachen dürfen dabei nicht die Möglichkeit offen lassen, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten bzw. seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war. Das hat der BGH jüngst in einer Familiensache entschieden.

In dem entschiedenen Fall hatte das klagende Land vom Antragsgegner die Erstattung geleisteter Unterhaltsvorschusszahlungen verlangt und vor dem Amtsgericht obsiegt. Die dagegen gerichtete Beschwerde legte der Antragsgegner form- und fristgemäß ein. Die Beschwerdebegründung ging beim zuständigen OLG am 28.1.2022 um 0:03 Uhr über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers ein. Die Begründungsfrist war am 27.1.2022 abgelaufen.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags trug der Antragsgegner vor, sein Bevollmächtigter habe am Tag des Fristablaufs gegen 23:50 Uhr versucht, die Beschwerdebegründung über die Weboberfläche des beA hochzuladen und an das OLG zu übermitteln. Dabei sei es zu einem nicht mehr nachvollziehbaren Problem mit dem verwendeten Laptop gekommen; die Beschwerdebegründung habe erst nach einem Neustart des Computers versandt werden können. Der IT-Berater des Verfahrensbevollmächtigten habe die vom System aufgezeichneten Fehler aber nicht konkret benennen können.

Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Beschwerde. Antragsgegners. Der Antragsgegner habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass seinen Verfahrensbevollmächtigten kein Verschulden an der Fristversäumnis treffe. Nach den glaubhaft gemachten Tatsachen sei das behauptete spontane Auftreten eines Hardwarefehlers ebenso wahrscheinlich wie ein Bedienfehler oder Wartungsdefizite als Ursache für das Fristversäumnis. Es bestehe somit keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners kein Verschulden treffe.

Dagegen wandte sich der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. Die vom OLG gegebene Begründung hält sich, wie der BGH ausführt, genau im Rahmen der bisherigen (und vom BGH in Rn. 15 referierten) höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Computer-Defekten. Glaubhaft zu machen ist danach, dass der Computerdefekt auf einem unvorhersehbaren und nicht vermeidbaren Fehler der verwendeten Hard- oder Software beruhte.

Keine Rolle spielte, dass der Schriftsatz in dem vom BGH entschiedenen Fall per beA an das Gericht versandt worden war. Der Versand erfolgte offensichtlich problemlos, lediglich zu spät. Insofern besteht kein Unterschied zu der früher üblichen Übermittlung per Fax.

Der BGH weist ergänzend darauf hin, dass diese hier als Ersatzeinreichung i.S.v. § 130d S. 2 ZPO in Betracht gekommen wäre. Die Ersatzeinreichung ist unabhängig davon möglich, ob die technische Störung auf einem Defekt des Übertragungsgeräts beruht oder in der Sphäre des Einreichenden liegt. Der Antragsgegner hatte allerdings nichts dazu vorgetragen, weshalb dieser Weg hier nicht genutzt wurde.

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Praxistipp:

Einen Überblick über die aktuelle höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung zu Fragen von Haftung, Fristen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geben Antje Jungk, Bertin Chab und Holger Grams in jedem Heft der BRAK-Mitteilungen. Ihre jüngste Rechtsprechungsübersicht ist erschienen in BRAK-Mitt. 2023, 121.