Nachrichten aus Brüssel

Ausgabe 10/2017 vom 17.05.2017

17.05.2017Newsletter

Berufsrecht

EuGH-Urteil zum ausnahmslosen Werbeverbot für Zahnarztleistungen

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 4. Mai 2017 in der Rechtssache Luc Vanderborght (C-339/15) entschieden, dass ein allgemeines und ausnahmsloses Verbot jeglicher Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Hingegen sei es den Mitgliedstaaten möglich, die Formen und Modalitäten der von Zahnärzten verwendeten Kommunikationsinstrumente einzugrenzen, sofern dies zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Würde des Zahnarztberufs gerechtfertigt ist.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte ein belgischer Zahnarzt mit Werbeanzeigen auf Internetseiten und in lokalen Tageszeitungen für die Leistungen seiner Praxis mit Informationen zu seiner Person geworben. In dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren wurde ihm unter anderem vorgeworfen, gegen das belgische Verbot der Werbung für Leistungen der Mund- oder Zahnversorgung verstoßen zu haben.

Der EuGH stellt in der Urteilsbegründung klar, dass die Werbung über eine Internetseite, die von einem Angehörigen eines reglementierten Berufs erstellt wurde, eine „kommerzielle Kommunikation“ ist, die einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG darstellt. Berufsrechtliche Regelungen dürften diese Form der Kommunikation zwar begrenzen, aber nicht ausnahmslos verbieten. Ein derartiges Verbot verstoße außerdem auch gegen die in Art. 56 AEUV verankerte Dienstleistungsfreiheit.

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Binnenmarkt

Dienstleistungspaket – Arbeitsdokument des IMCO zur geplanten Verhältnismäßigkeitsprüfung

Der Ausschuss Binnenmarkt und Verbraucherschutz des EP (IMCO) hat am 5. Mai 2017 ein Arbeitsdokument zum Richtlinienvorschlag über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen veröffentlicht. Der zuständige Berichterstatter Dr. Andreas Schwab (EVP/DE) weist darin auf Bedenken bezüglich des Vorschlags und auf zu diskutierende Kernfragen hin.

So bestünden unter anderem Bedenken hinsichtlich der Wahl einer Richtlinie als Instrument. Vertragsverletzungsverfahren seien nach den Ausführungen die geeignetere Vorgehensweise. Weitere Bedenken, die auch von der BRAK geteilt werden, bestünden hinsichtlich der geplanten unabhängigen Kontrollstellen, die bei der Überprüfung der Unabhängigkeit und Objektivität der durchgeführten Verhältnismäßigkeitsprüfung hinzugezogen werden sollen. Daneben wird auch die Prüfung der kumulativen Wirkung von Anforderungen an den Berufszugang oder die Berufsausübung kritisch hinterfragt.

Aufbauend auf dem Arbeitsdokument wird der Ausschuss voraussichtlich im Juli einen Berichtsentwurf mit konkreten Änderungsvorschlägen veröffentlichen.

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Stellungnahme der BRAK zum Richtlinienvorschlag über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung

In ihrer Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass von Berufsreglementierungen (COM(2016) 822 final) begrüßt die BRAK das Ziel der Schaffung europaweit einheitlicher Mindestkriterien für die Verhältnismäßigkeitsprüfung, hält aber unverbindliche Leitlinien für das geeignetere Mittel als eine Richtlinie, um dieses Ziel zu erreichen. Der EuGH habe bereits hinreichend klare Kriterien für die Verhältnismäßigkeitsprüfung entwickelt, an die alle Mitgliedstaaten bereits jetzt gebunden sind, wenn sie einschlägige Rechtssetzungsakte erlassen wollen. Der Versuch der Kodifizierung dieser Rechtsprechung birgt die Gefahr, hinter der sorgfältigen Abwägung des EuGH zurückzubleiben oder über diese hinauszugehen.

Ferner weist die Bundesrechtsanwaltskammer hinsichtlich der in dem Richtlinienvorschlag vorgesehen Beweislast der Mitgliedstaaten für die Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit erlassener Regelungen darauf hin, dass die von den Mitgliedstaaten durchzuführende Prüfung der Verhältnismäßigkeit beabsichtigter Regelungen im Wege einer Folgenabschätzung und somit im Wege von Prognosen erfolgt. Letztere sind einer Beweisführung nicht zugänglich, da sie weder verifiziert noch falsifiziert werden können. Die Mitgliedstaaten könnte deshalb allenfalls eine Darlegungslast treffen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH.

Daneben schlägt die BRAK die Aufnahme einer Definition des Begriffs „verhältnismäßig“ vor und fordert die Streichung der vorgesehenen Mitwirkung unabhängiger Kontrollstellen bei der regelmäßigen Kontrolle der Unabhängigkeit und Objektivität der durchgeführten Verhältnismäßigkeitsprüfung. Letztere finde im Unionsrecht keine rechtliche Grundlage.

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EuGH-Schlussanträge - Uber muss nationale Vorschriften zur Personenbeförderung befolgen

In seinen Schlussanträgen vom 11. Mai 2017 in der Rechtssache C-434/15 Asociación Profesional Elite Taxi /Uber Systems Spain, SL kommt der Generalanwalt Maciej Spunar zu dem Ergebnis, dass für Uber nicht der durch das Unionsrecht für Dienste der Informationsgesellschaft gewährleistete Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs gilt. Der von der Plattform Uber angebotene Dienst sei als Verkehrsdienstleistung zu qualifizieren und unterfalle deswegen den nationalen Vorschriften zur Personenbeförderung.

In dem zugrundeliegenden Verfahren hat die berufsständische Vereinigung von Taxifahrern (Elite Taxi) der Stadt Barcelona gegen die Gesellschaft Uber Systems Spain, SL wegen unlauteren Wettbewerbs geklagt. Uber ist eine Internetplattform, über die eine Dienstleistung des Personennahverkehrs bestellt werden kann. Die Beförderung wird von Privatleuten in ihren privaten Kraftfahrzeugen durchgeführt. Elite Taxi macht insbesondere geltend, dass weder Uber Spain noch die Halter der Kraftfahrzeuge oder deren Fahrer über die in der Taxi-Verordnung der Stadt Barcelona vorgeschriebenen Lizenzen und Genehmigungen verfügten. Das zuständige Gericht hat den Fall dem EuGH vorgelegt.

Spunar führt in seinen Schlussanträgen aus, dass es sich bei dem von der Plattform angebotenen Dienst um einen gemischten Dienst handele, von dem ein Teil elektronisch erbracht werde und ein anderer Teil nicht. Gemischte Dienste seien nur dann „Dienste der Informationsgesellschaft“, wenn beide Teile eine untrennbare Einheit bildeten und das zentrale Element auf elektronischem Wege vollzogen werde. Da die Fahrer keine eigenständige Tätigkeit ausübten und damit nicht unabhängig von der Plattform Bestand hätten und alle wirtschaftlich relevanten Faktoren von Uber bestimmt würden, liege eine untrennbare Einheit vor. Das Hauptelement der Dienstleistung sei jedoch die Beförderung, da diese dem Dienst seinen wirtschaftlichen Sinn verleihe. Damit könne die Dienstleistung nicht als „Dienst der Informationsgesellschaft“ eingestuft werden. Ebenso wenig handele es sich um einen Mitfahrdienst, da der Fahrgast den Zielort bestimme.

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Neue Maßnahmen für ein besseres Funktionieren des EU-Binnenmarktes

Die Europäische Kommission hat am 2. Mai 2017 drei Initiativen veröffentlicht, mit denen das Funktionieren des europäischen Binnenmarktes für Bürger und Bürgerinnen sowie für Unternehmen verbessert werden soll. Zum einen soll ein zentrales digitales Zugangstor eingerichtet werden, über das wichtige Verwaltungsverfahren, beispielsweise die Beantragung einer Geburtsurkunde, die Unternehmensgründung oder die Beantragung von Sozialleistungen, künftig online zugänglich sein sollen. Ein Binnenmarkt-Informationstool soll es der Kommission ermöglichen, verlässliche und genaue Informationen bezüglich der Anwendung der Regelungen des Binnenmarkts in den Mitgliedstaaten zu erhalten. Schließlich soll der Zugang zu dem kostenlosen Dienst SOLVIT vereinfacht und die Datenerhebung verbessert werden. SOLVIT unterstützt Bürger und Bürgerinnen sowie Unternehmen, die bei einem Umzug oder grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten innerhalb der EU Schwierigkeiten im Umgang mit den Behörden haben.

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Gesellschaftsrecht

Modernisierung des europäischen Gesellschaftsrechts – öffentliche Konsultation

Die Europäische Kommission hat am 10. Mai 2017 eine öffentliche Konsultation über die Modernisierung des europäischen Gesellschaftsrechts eingeleitet, die sich insbesondere auf die Nutzung von digitalen Technologien und effiziente grenzüberschreitende Verfahren bezieht. Sie möchte damit erfahren, welche gesellschaftsrechtlichen Probleme in diesem Bereich bestehen. Es werden auch Fragen zur Anwendung des Rechts auf Gesellschaften gestellt, unter anderem welches Recht bei Fusionen sowie Unternehmensspaltungen und -umwandlungen anwendbar ist. Außerdem wird erfragt, ob ein Vorschlag der Kommission auch Kollisionsregeln enthalten sollte, welches Recht auf grenzüberschreitende gesellschaftsrechtliche Fälle anwendbar sein und ob dieses auch für außereuropäische Gesellschaften gelten sollte. Die Konsultation läuft bis zum 6. August 2017.

Gleichzeitig hat die Kommission einen Fahrplan zu diesem Thema veröffentlicht. Darin kündigt sie an, dass ein Vorschlag der Kommission unter anderem Online-Registrierungen von Gesellschaften, die Nutzung von Online-Unternehmensregistern, die grenzüberschreitenden Aktivitäten von Gesellschaften sowie das auf Gesellschaften anwendbare Recht regeln sollte.

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Grenzüberschreitende Unternehmensverschmelzungen und -spaltungen – Abstimmung im JURI

Der Rechtsausschuss des EP (JURI) hat am 4. Mai 2017 einen Initiativbericht des Berichterstatters Enrico Gasbarra (S&D/IT) über die Durchführung grenzüberschreitender Unternehmensverschmelzungen und -spaltungen angenommen. In diesem wird die Europäische Kommission aufgefordert, einen Vorschlag vorzulegen, in dem die Verfahrensstandards im Bereich von grenzüberschreitenden Unternehmensverschmelzungen und -spaltungen sowie bei den Rechten der Akteure in der Unternehmensführung weitgehend harmonisiert werden. Die Abgeordneten befürworten ferner eine Einführung von Standardformularen und die Förderung der Digitalisierung. Als nächster Schritt muss das Plenum des EP über den Bericht abstimmen.

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Wirtschaftsrecht

EuGH-Gutachten zur Beteiligung der Mitgliedstaaten beim Abschluss des Freihandelsabkommens mit Singapur

Der EuGH hat am 16. Mai 2017 in dem Gutachtenverfahren 2/15 zum Freihandelsabkommen der EU mit Singapur entschieden, dass letzteres in seiner derzeitigen Form nicht ohne die Mitwirkung der EU-Mitgliedstaaten geschlossen werden kann. Im Einklang mit den Schlussanträgen der Generalanwältin Eleanor Sharpston vom 21. Dezember 2016 urteilt der Gerichtshof, dass unter anderem die Bestimmungen des Abkommens zu ausländischen Investitionen als Direktinvestitionen und sich darauf beziehende Regelungen zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fallen (sog. gemischtes Abkommen) und somit die Mitgliedstaaten beim Abschluss des Abkommens beteiligt werden müssen.

Der EuGH stellt außerdem klar, dass die Regelung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten in die von der EU und den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit fällt. Regelungen, die zur Folge haben, dass der gerichtlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten Streitigkeiten entzogen werden, können nicht ohne das Einverständnis der Mitgliedstaaten vereinbart werden. Es ist davon auszugehen, dass diese Beurteilung auch auf das abgeschlossene Abkommen mit Kanada (CETA) und die derzeit stillstehenden Verhandlungen über ein Abkommen mit den USA (TTIP) Anwendung finden wird. 

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