Nachrichten aus Brüssel

Ausgabe 15/2018 vom 04.10.2018

04.10.2018Newsletter

Zivilrecht

Stellungnahme der BRAK zu Verbandsklagen zum Schutz von Kollektivinteressen der Verbraucher

Die BRAK begrüßt in ihrer Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag über Verbandsklagen zum Schutz von kollektiven Interessen der Verbraucher das Ziel der Europäischen Kommission, weitere Schritte zur effektiven und effizienten Durchsetzung von EU-Verbraucherschutzvorschriften zu unternehmen, die über die Richtlinie zu Unterlassungsklagen (2009/22/EG) hinausgehen. Sie regt an, vorzusehen, dass sich Rechtsanwälte selbst zu einer qualifizierten Einrichtung zusammenschließen bzw. dass sie direkt im Namen einer Gruppe betroffener Verbraucher eine Verbandsklage anstrengen können. Bedenklich ist nach Ansicht der BRAK das System der automatischen Zuständigkeit der Verbandsklagen ohne Mandat der Verbraucher (Opt-out Modell) insbesondere in Fällen, bei denen es nicht um die Feststellung von Rechtsverstößen und nicht nur um Bagatellschäden geht. Sie sieht Verbesserungsbedarf hinsichtlich der geplanten Regelungen zur Genehmigung von Vergleichen, zur Hemmung der Verjährungsfrist, zur Durchführung grenzüberschreitender Verfahren und zur einseitigen Rechtskraftwirkung von Entscheidungen. Schließlich regt die BRAK an, dass sich die in dem Richtlinienvorschlag vorgesehenen Abhilfemaßnahmen auf die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens anspruchsbegründender oder anspruchsausschließender Voraussetzungen oder auf die Klärung von Rechtsfragen (Feststellungsziele) beschränken.

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Stellungnahme der BRAK zur Überarbeitung der Zustellungs- und der Beweisaufnahmeverordnung

In ihrer Stellungnahme zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission für die Überarbeitung der Zustellungsverordnung (EG) 1393/2007 und der Beweisaufnahmeverordnung (EG) 1206/2001 befürwortet die BRAK die Einführung der elektronischen Übermittlung im Rahmen der grenzüberschreitenden Zustellung von Schriftstücken und der Beweisaufnahme, da dies die Effizienz dieser Vorgänge für die betroffenen Bürger und Unternehmen steigern wird. Jedoch bedarf ein solches System einer funktionsfähigen und kompatiblen IT-Infrastruktur, so dass in jedem Fall darauf geachtet werden sollte, dass bei den Schnittstellen sichergestellt wird, dass die bereits existierenden oder im Aufbau begriffenen mitgliedstaatlichen IT-Systeme berücksichtigt werden. Aufgrund der technischen Komplexität der Schaffung von Schnittstellen sollten ferner ausreichend lange Umsetzungsfristen vorgesehen werden.

Hinsichtlich der Einführung von Videokonferenzen ist aus Sicht der BRAK ausreichend, den Mitgliedstaaten aufzuerlegen, beispielsweise ab einer bestimmten Einwohnerzahl in einem Gerichtsbezirk eine Videokonferenzmöglichkeit zu schaffen. Da vielfach bei den zuständigen Gerichten in den Mitgliedstaaten noch keine Infrastruktur vorhanden ist, um Videokonferenzen durchzuführen, sind die hierfür erforderlichen Investitionen und der erforderliche Zeitaufwand teilweise erheblich.

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Steuerrecht

Stellungnahme der BRAK und Berichtsentwürfe des ECON zur fairen Besteuerung der digitalen Wirtschaft

Die BRAK begrüßt in ihrer Stellungnahme zu den Richtlinienvorschlägen der Europäischen Kommission zur fairen Besteuerung der digitalen Wirtschaft das Ziel, die durch ein digitales Angebot erzielten Gewinne auch im Staat der Nutzer zu besteuern. Sie spricht sich dafür aus, dass eine Steuerpflicht für diese Gewinne im nationalen Recht eingeführt wird, da die Erweiterung des Betriebsstättenbegriffs für die Mitgliedstaaten, bei denen das nationale Recht nicht auf dem Betriebsstättenbegriff aufbaut, ins Leere gehen würde. Ferner regt sie an, die Digitalsteuer als zusätzliche Steuer dauerhaft beizubehalten und die Einrichtung von Erfassungssystemen für die Digitalsteuer in den einzelnen Mitgliedstaaten zu harmonisieren, da die Digitalsteuer, wie sie im Richtlinienvorschlag vorgesehen ist, nur so für die nationale Steuerrechtsordnung beherrschbar ist.

Zu den beiden Richtlinienvorschlägen hat der federführende Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EP (ECON) nun Berichtsentwürfe veröffentlicht. Der für den Richtlinienvorschlag zur Unternehmensbesteuerung einer signifikanten digitalen Präsenz zuständige Berichterstatter MdEP Dariusz Rosati (EVP, PL) schlägt u.a. vor, klarzustellen, dass der Begriff der signifikanten digitalen Präsenz fest in die Richtlinie des Rates über eine gemeinsame (konsolidierte) Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage integriert wird. Außerdem sollte seines Erachtens ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über die Einordnung der Dienstleistung eines Unternehmens als digitale Dienstleistung im Sinne der Richtlinie eingeführt werden. Den Richtlinienvorschlag zur Digitalsteuer auf Erträge aus bestimmten digitalen Dienstleistungen begrüßt der zuständige Berichterstatter Paul Tang (S&D, NL). Er schlägt u.a. vor, dass der vorgesehene Digitalsteuersatz nicht 3%, sondern 5% betragen und dass der Anwendungsbereich der Richtlinie auch das Zurverfügungstellen von Inhalten wie Videos, Audios und Texten über eine digitale Schnittstelle erfassen sollte.

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Berufsrecht

EGMR-Urteil - Besuch des Präsidenten der Anwaltskammer in einer Anwaltskanzlei in laufendem Disziplinarverfahren

Der EGMR hat am 20. September 2018 in der Rechtssache Tuheiava gegen Frankreich (Az. 25038/13) entschieden, dass der Besuch eines Präsidenten der Anwaltskammer in den Räumlichkeiten eines Anwalts während eines laufendenden Disziplinarverfahrens nicht gegen die EMRK verstößt.

Im vorliegenden Fall hatte die zuständige Rechtsanwaltskammer gegenüber einem Rechtsanwalt ein Vertretungsverbot verhängt. Der Rechtsanwalt wehrte sich gegen dieses und machte u.a. geltend, dass der im Rahmen des Verfahrens durchgeführte Besuch des Kammerpräsidenten in den Kanzleiräumlichkeiten während seiner Abwesenheit einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) darstellte. Zudem sah er in der Verwendung von während des Besuchs gesichteten Sozialversicherungs-, Steuer- und Buchhaltungsunterlagen in dem Verfahren einen Verstoß gegen Artikel 6 § 1 EMRK (Recht auf eine faire Anhörung).

Der EGMR verneint entsprechende Verstöße. Ausgehend von der zentralen Position von Rechtsanwälten für die Rechtspflege als Vermittler zwischen der Öffentlichkeit und den Gerichten genießen Rechtsanwälte bei der Ausübung ihrer beruflichen Pflichten zwar besonderen Schutz, umgekehrt werden von ihnen aber auch besondere Verhaltensstandards verlangt. Der Besuch in den Kanzleiräumlichkeiten stellt insofern zwar eine Störung dar, diese erfolgte aber in Übereinstimmung mit den dem Kammerpräsidenten übertragenen Überwachungs- und Aufsichtsbefugnissen und verfolgte ein legitimes öffentliches Ziel. Aufgrund zahlreicher Beschwerden von Mandanten sowie der Information einer Räumungsklage des Vermieters war es eine Pflicht der Anwaltskammer, den Vorwürfen vor Ort nachzugehen. Der Besuch erfolgte ohne Einschaltung externer Behörden durch den Präsidenten der Anwaltskammer, der selbst Anwalt und an das Berufsgeheimnis gebunden war, das es im Interesse aller Kammermitglieder zu verteidigen galt. Auch erfolgte eine faire Anhörung. Dem betroffenen Rechtsanwalt wurden die Ergebnisse und Berichte offengelegt, er wurde angehört und war vor dem beschließenden Ausschuss anwaltlich vertreten. 

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Asylrecht

Richtlinienvorschlag zur Neufassung der Rückführungsrichtlinie

Die Europäische Kommission hat anlässlich des Treffens der EU-Führungsspitzen in Salzburg am 19./20. September 2018 und als Teil eines Maßnahmenpakets einen Richtlinienvorschlag zur Neufassung der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger veröffentlicht. Ziel ist es, Rückkehrverfahren zu beschleunigen sowie die Fluchtgefahr und irreguläre Migrationsbewegungen zu vermeiden. Hierfür soll ein neues Rückkehrverfahren an der Grenze vorgesehen werden, welches ermöglicht, Personen, die internationalen Schutz beantragt haben und deren Antrag im Rahmen des Asylverfahrens an der Grenze abgelehnt wurde, zügig rückzuführen. Die Vorschriften über den Erlass von Rückkehrentscheidungen und über Rechtsbehelfe gegen diese Entscheidungen sollen klarer gefasst werden. Ferner soll ein Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen irregulären Migranten und den zuständigen nationalen Behörden geschaffen werden sowie die Vorschriften für die Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise gestrafft und ein Rahmen für die Gewährung finanzieller und materieller Unterstützung, einschließlich Sachleistungen, für diejenigen Migranten vorgesehen werden, die bereit sind, freiwillig zurückzukehren. Schließlich sollen effizientere Instrumente zur Abwicklung von Rückführungen und zum Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden geschaffen werden, um der illegalen Migration vorzubeugen.

Das Maßnahmenpaket enthält neben dem Vorschlag zur Neufassung der Rückführungsrichtlinie einen Vorschlag zur Stärkung der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache (FRONTEX) und der Europäischen Asylagentur (EASO).

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EuGH-Urteil zur aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln in Asylverfahren

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 26. September 2018 in der Rechtssache C-180/17 klargestellt, dass es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wenn ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf gegen ein erstinstanzliches Urteil, mit dem eine ablehnende Entscheidung bezüglich eines Antrags auf internationalen Schutz bestätigt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird, keine aufschiebende Wirkung hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Betroffene die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtzurückverweisung geltend macht.

Der EuGH führt hierzu aus, dass die Regelungen der Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU und der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EU die Mitgliedstaaten nur dazu verpflichten, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen vorzusehen. Im vorliegenden Fall richten sich die Betroffenen indessen gegen die im Rechtsbehelfsverfahren vor dem erstinstanzlichen Gericht erlassenen Entscheidung, mit der die ablehnende (behördliche) Entscheidung bestätigt wurde. Diesbezüglich besteht nach Ansicht des EuGH weder eine Pflicht der Mitgliedstaaten, einen zweiten Rechtszug vorzusehen, noch einem Rechtsmittel kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu verleihen.

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Strafrecht

EuGH-Urteil – EU-Haftbefehle aus Großbritannien müssen vollstreckt werden

Am 19. September 2018 hat der EuGH in der Rechtssache C-327/18 entschieden, dass die Mitteilung des Vereinigten Königreichs über seine Absicht, aus der EU auszutreten, nicht zur Folge hat, dass die Vollstreckung eines von ihm ausgestellten Europäischen Haftbefehls verweigert oder vertagt werden darf.

Die bloße Mitteilung eines Mitgliedstaats über seine Absicht, aus der Union auszutreten (Art. 50 EUV), bewirkt nach Ansicht des EuGH nicht die Aussetzung der Anwendung des Unionsrechts. Vielmehr bleiben alle unionsrechtlichen Vorschriften bis zu dem tatsächlichen Austritt in Kraft. Davon unabhängig hat das vorlegende Gericht jedoch noch zu prüfen, ob es ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass die betroffene Person nach dem Austritt aus der Union der Gefahr ausgesetzt ist, dass ihr die Grundrechte und weitere Rechte aus dem Rahmenbeschluss zum Europäischen Haftbefehl nicht mehr zustehen. Angesichts der Tatsache, dass das Vereinigte Königreich sowohl die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten als auch das Europäische Auslieferungsabkommen vom 13. Dezember 1957 unterzeichnet und teilweise in nationales Recht umgesetzt hat, liegen dem Anschein nach keine Anhaltspunkte vor, dass die betroffene Person nach dem Austritt einer solchen Gefahr ausgesetzt ist. Nur bei Vorliegen greifbarer Anhaltspunkte, die auf den Beweis des Gegenteils hinauslaufen, dürfen die vollstreckenden Justizbehörden die Vollstreckung der Europäischen Haftbefehls verweigern.

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Veranstaltungshinweis

Workshop International Collaborative Law

Am 26. und 27. Oktober 2018 findet in Brüssel ein Workshop zur Cooperativen Praxis/Collaborative law statt. Veranstalter dieses Workshops ist das Internationale Zentrum für Collaboratives Recht (IZCR) (Centre International pour le Droit Collaboratif - CIDC), das auf Initiative der Rechtsanwaltskammern von Köln, Lüttich, Verviers, Eupen und Lille gegründet wurde und zum Ziel hat, ein internationales Netzwerk von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten für Collaborative Law ins Leben zu rufen und zu fördern. Der Workshop wird in englischer Sprache abgehalten und soll länderübergreifend die Möglichkeit bieten, bestimmte Aspekte der Cooperativen Praxis zu vertiefen und insbesondere Partner aus anderen Ländern in diesem Netzwerk persönlich kennen zu lernen.

Der Workshop wird zum Selbstkostenpreis durchgeführt. Die Kosten der Teilnahme hängen von der Anzahl der Teilnehmer ab und werden wahrscheinlich in einem Bereich von 500-700 € liegen. Voraussetzung der Teilnahme ist eine Ausbildung in Mediation und/oder Cooperative Praxis, da es um eine Vertiefung und nicht um eine Grundausbildung geht. Eine Mitgliedschaft in dem Verein ist nicht Voraussetzung.

Weitere Informationen zum Programm und der Anmeldung finden Sie u.a. auf der Internetseite der Rechtsanwaltskammer Köln: https://www.rak-koeln.de/News/2018/Workshop-zur-Cooperativen-Praxis-Collaborative-law-Bruessel-26.10.2018

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Impressum


Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)
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RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Hanna Petersen LL.M., RAin Doreen Barca-Cysique LL.M., RAin Svenja Büttner, Natalie Barth
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