Nachrichten aus Brüssel

Ausgabe 06/2018 vom 22.03.2018

22.03.2018Newsletter

Binnenmarkt

Dienstleistungspaket – IMCO lehnt die Einführung einer Dienstleistungskarte ab

Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des EP (IMCO) hat sich in seiner Sitzung am 21. März 2018 gegen die Einführung einer Dienstleistungskarte ausgesprochen. Auf der Tagesordnung stand die Abstimmung über zwei Berichte mit Änderungsanträgen zu den beiden Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Einführung einer Elektronischen Europäischen Dienstleistungskarte. Die Abgeordneten nahmen mit einer Mehrheit von 21 zu 14 Stimmen bei zwei Enthaltungen einen Antrag auf Ablehnung der Vorschläge der Kommission an. Zuvor hatten nicht nur der Rechtsausschuss des EP (JURI), sondern auch der Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON), der Ausschuss für Beschäftigung und Soziale Angelegenheiten (EMPL) und der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) für die Ablehnung der Kommissionsvorschläge gestimmt. Damit wurden alle weiteren Änderungsanträge, die von den Berichterstattern zuvor ausgehandelt wurden, um die Vorschläge der Kommission mehrheitsfähig zu gestalten, obsolet und die Berichtsentwürfe des IMCO reduzierten sich auf den Ablehnungsantrag. Bei der anschließenden Abstimmung über die (gesamten) Berichtsentwürfe lehnten die Abgeordneten deren Annahme mit einer Mehrheit von 22 zu 14 bei einer Enthaltung ab. Dies hat zur Folge, dass es bis auf Weiteres keine Position des EP gibt und das Gesetzgebungsverfahren blockiert ist. Der Rat der EU hat sich bisher auch noch nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen können.

Weiterführende Links:

Strafrecht

Irisches Gericht verweigert Auslieferung eines EuHB-Häftlings an Polen

Am 12. März 2018 hat der irische High Court entschieden, die Auslieferung eines polnischen Staatsangehörigen aufgrund eines in Polen ausgestellten Europäischen Haftbefehls (EuHB) nicht auszuführen, da es aufgrund der politischen Lage in Polen derzeit nicht gewährleistet sei, dass der auszuliefernden Person ein faires Verfahren in Polen geboten wird. Die zuständige Richterin hat daher entschieden, die Sache dem EuGH als Vorlagefrage vorzulegen. Sie möchte vom EuGH wissen, 1.) ob der sogenannte „Aranyosi und Caldararu - Test“ anzuwenden ist, um über eine Auslieferung zu entscheiden, wenn der High Court zu dem Ergebnis kommt, dass Polen gegen die gemeinsamen rechtsstaatlichen Werte des Artikels 2 EUV verstößt und 2.) ob der High Court weitere Informationen bezüglich des zu erwartenden Verfahrens einholen darf, wenn der anzuwendende Test sich damit beschäftigt, ob die betreffende Person bei einer Auslieferung dem ernsthaften Risiko ausgesetzt wird, dass ihr ein faires Verfahren vorenthalten wird.

Der Aranyosi and Caldararu - Test, der 2016 vom EuGH im gleichnamigen Urteil eingeführt wurde, ist ein zweistufiger Test, den ein einen EuHB ausführender Staat durchführen muss, wenn er Beweise dafür hat, dass die Inhaftierten im Ausstellungsstaat unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt werden. 

Weiterführende Links:

EuGH-Urteil zum Grundsatz ne bis in idem

Der EuGH kam in zwei Urteilen vom 20. März 2018 (Rs. C-524/15, C-537/16 und C-596/16, C-597/16) zu dem Ergebnis, dass der Grundsatz ne bis in idem zum Schutz der finanziellen Interessen der Union und ihrer Finanzmärkte beschränkt werden kann, sofern diese Beschränkung nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels zwingend erforderlich ist. Dies haben die nationalen Gerichte im Einzelfall zu prüfen. In den zugrundeliegenden Fällen wurde den Verfahrensbeteiligten jeweils ein Bußgeld auferlegt und sodann gegen sie ein strafrechtliches Verfahren wegen Steuerhinterziehung und Marktmanipulation eingeleitet. Die italienischen Gerichte haben daraufhin dem EuGH die Frage vorgelegt, ob eine Kumulierung von verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Maßnahmen gegen den Grundsatz ne bis in idem verstößt.

Weiterführende Links:

Steuerrecht

Offenlegungspflichten für Intermediäre – politische Einigung zum Richtlinienvorschlag

Der Rat der EU (Wirtschaft und Finanzen) hat am 13. März 2018 eine politische Einigung hinsichtlich des Richtlinienvorschlags zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU mit Maßnahmen zur Eindämmung grenzüberschreitender Steuervermeidungspraktiken gefunden. Demnach sollen Intermediäre wie Steuerberater, Buchhalter und Rechtsanwälte, die grenzüberschreitende Steuerplanungsmodelle entwerfen und/oder anbieten, verpflichtet werden, Modelle zu melden, die als potenziell aggressiv gelten. Der vereinbarte Text enthält eine Ausnahme von der Meldepflicht für Angehörige der Rechtsberufe, wenn diese gegen das Berufsgeheimnis verstößt. Der Rechtsanwalt muss in diesem Fall den Steuerpflichtigen über die dann auf ihn fallende Meldepflicht unterrichten. Trotz gegenteiliger Forderungen der BRAK sind Sanktionen für den Fall vorgesehen, dass die Unterrichtung des Steuerpflichtigen nicht erfolgt.

Bei dem Gesetzgebungsverfahren handelt es sich um ein Konsultationsverfahren, bei dem das EP lediglich angehört wurde. Der Rat wird den vereinbarten Text in den nächsten Monaten annehmen. Die Mitgliedstaaten haben bis zum 31. Dezember 2019 Zeit, die neuen Vorschriften in nationales Recht umzusetzen. Die neuen Meldepflichten sollen ab 1. Juli 2020 anwendbar sein.

Weiterführende Links:

Besteuerung der digitalen Wirtschaft – Vorschläge der Europäischen Kommission

Die Europäische Kommission hat am 21. März 2018 neue Regelungen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft vorgeschlagen, womit die derzeitigen Steuervorschriften modernisiert und an die Entwicklung weltweit und online tätiger Unternehmen, die nur eine geringe oder gar keine physische Präsenz aufweisen, angepasst werden sollen. Mit zwei Legislativvorschlägen soll die Besteuerung digitaler Geschäftstätigkeiten in der EU fairer gestaltet werden.

Der erste Richtlinienvorschlag zielt auf eine langfristige Lösung ab: die Vorschriften zur Körperschaftsteuer sollen geändert werden, so dass Gewinne dort registriert und besteuert werden, wo über digitale Kanäle signifikante Interaktionen zwischen Unternehmen und Nutzern stattfinden. Der Richtlinienvorschlag sieht unter anderem Kriterien für die Bestimmung einer „digitalen Präsenz“ oder einer virtuellen Betriebsstätte einer digitalen Plattform in einem Mitgliedstaat vor. Es soll eine klare Verbindung zwischen dem Ort der Erzielung digitaler Gewinne und dem Ort der Besteuerung dieser Gewinne hergestellt werden.

Mit dem zweiten Richtlinienvorschlag soll als Übergangslösung eine Zwischensteuer für die wichtigsten digitalen Tätigkeiten, die derzeit in der EU nicht besteuert werden, eingeführt werden. Dies betrifft insbesondere Tätigkeiten, bei denen die Nutzer eine wesentliche Rolle bei der Wertschöpfung spielen und die mit den derzeitigen Steuervorschriften sehr schwierig zu erfassen sind. Hierzu gehören beispielsweise Erträge aus dem Verkauf von Online-Werbeflächen, aus digitalen Vermittlungsgeschäften sowie aus dem Verkauf von Daten, die aus Nutzerinformationen generiert werden.

Bei dem Gesetzgebungsverfahren handelt es sich um ein Konsultationsverfahren, bei dem das EP lediglich angehört wird.

Weiterführende Links:

Benennung der Mitglieder für den neuen TAXE3-Sonderausschusses

Das Plenum des EP hat am 14. März 2018 der Nominierung von 45 Mitgliedern für den neuen Sonderausschuss zu Finanzkriminalität, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung (TAXE3) zugestimmt. Der TAXE3-Sonderausschuss soll eine Berufungszeit von 12 Monaten haben und auf die Arbeiten der Sonderausschüsse TAXE1, TAXE2 und PANA aufbauen und diese weiterführen. Er wird sich seinem Mandat entsprechend unter anderem mit der Bewertung „einzelstaatlicher Regelungen, mit denen Steuerprivilegien gewährt werden", dem Mehrwertsteuerbetrug und den Problemen der Einhaltung der Steuervorschriften in der digitalen Wirtschaft befassen.

Zu den Mitgliedern des Sonderausschusses zählen unter anderem folgende deutsche Abgeordnete: Markus Ferber (EVP), Werner Langen (EVP), Peter Simon (S&D) und Sven Giegold (Grüne/EFA). Bei ihrer ersten Sitzung am 22. März 2018 wählten die Mitglieder MdEP Petr Ježek (CZ, ALDE) als ihren Vorsitzenden. Letzterer war im PANA-Ausschuss als Co-Berichterstatter an der Verfassung der Entschließung und des Abschlussberichts beteiligt.

Weiterführende Links:

Zivilrecht

Paket für soziale Gerechtigkeit – Vorschläge der Europäischen Kommission

Die Europäische Kommission hat am 13. März 2018 ein Paket für soziale Gerechtigkeit vorgelegt. Dazu gehört eine Empfehlung des Rates für den Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbständige. Diese sieht vor, formale Lücken bei der Absicherung zu schließen, so dass sich betroffene Arbeitnehmer und Selbständige einem Sozialversicherungssystem anschließen können. Außerdem soll Arbeitnehmern und Selbständigen eine angemessene tatsächliche Absicherung angeboten und die Übertragung von Sozialversicherungsansprüchen von einem Arbeitsplatz zum nächsten erleichtert werden. Schließlich sollen Arbeitnehmer und Selbständige besser über ihre Sozialversicherungsansprüche und –rechte informiert werden. Damit wird, wie von der BRAK in ihrer Stellungnahme zur öffentlichen Konsultation gefordert, kein obligatorischer Mindestsozialschutz für Selbständige festgelegt.

Das Paket umfasst darüber hinaus einen Verordnungsvorschlag zur Einrichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde, mit der drei Ziele verfolgt werden. Zum einen soll die Behörde über Arbeits-, Mobilitäts-, Einstellungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten informieren und Leitlinien über Rechte und Pflichten bereitstellen. Zum anderen soll die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gefördert werden. Eine weitere Aufgabe wird es sein, bei grenzüberschreitenden Streitfällen zu vermitteln und auf Lösungen hinzuwirken.

Die Kommission kündigt ferner ein sozialpolitisches Scoreboard an, in dem die Entwicklungen und die Leistungen der EU-Mitgliedstaaten in mehreren Kategorien erfasst und verglichen werden sollen.

Weiterführende Links:

Wirtschaftsrecht

Einrichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs – Rat einigt sich auf Verhandlungsmandat

Der Rat der EU hat sich am 20. März 2018 auf Verhandlungsrichtlinien geeinigt, mit denen die Europäische Kommission ermächtigt wird, im Namen der EU ein Übereinkommen zur Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten auszuhandeln. Geplant ist, dass dieser Gerichtshof die bestehenden bilateralen Investitionsgerichtssysteme bei Streitigkeiten im Rahmen geltender sowie zukünftiger Handels- und Investitionsabkommen der EU ersetzt. Es soll ein Gerichtssystem geschaffen werden, das wesentliche Merkmale inländischer und internationaler Gerichtshöfe übernimmt. So sollen die Richter fest angestellt, qualifiziert und fest besoldet sein. Ferner sollen ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit gewährleistet sein. Die Verhandlungen vor dem Gerichtshof sollen transparent sein und es soll die Möglichkeit vorgesehen werden, Rechtsbehelfe einzulegen. Daneben soll auch die Durchsetzung der Entscheidungen des Gerichtshofs gewährleistet werden. Auf der Grundlage des vom Rat erteilten Mandats wird die Kommission nun Verhandlungen mit ihren Handels- und Investitionspartnern im Rahmen der Kommission der Vereinten Nationen für Internationales Handelsrecht (UNCITRAL) aufnehmen.

Weiterführende Links:

Institutionen

EuG-Urteil zu mehr Transparenz bei den Trilogverhandlungen

Das EuG hat in seinem Urteil vom 22. März 2018 in der Rechtssache Emilio de Capitani ./. EP (T-540/15) klargestellt, dass das EP auf einen konkreten Antrag hin grundsätzlich Zugang zu den Dokumenten laufender Trilogverhandlungen gewähren muss.

Trilogverhandlungen finden zwischen Vertretern der drei EU-Institutionen statt, wenn die vom Rat der EU und vom EP festgelegten Positionen hinsichtlich eines Vorschlags der Europäischen Kommission auseinandergehen. Die Treffen sind informell und finden unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die am Ende der Verhandlungen gefundene Einigung muss von den Organen im Einklang mit ihren entsprechenden internen Verfahren gebilligt werden. Nach den Feststellungen des Gerichts finden Trilogverhandlungen in 70% bis 80% der Gesetzgebungsverfahren statt. Sie werden vom Gesetzgeber selbst als wesentlicher Bestandteil der Gesetzgebung anerkannt.

Die europäischen Gesetzgebungsverfahren basieren auf dem Grundsatz der Öffentlichkeit und Transparenz, weshalb es Bürgern zur Ausübung ihrer demokratischen Rechte nach Ansicht des Gerichts möglich sein muss, den Entscheidungsprozess innerhalb der beteiligten Organe im Einzelnen zu verfolgen und Zugang zu sämtlichen einschlägigen Informationen zu erhalten. Der Zugang zu diesen Dokumenten kann nur verweigert werden, wenn das betreffende Organ feststellt, dass bei vernünftiger und nicht rein hypothetischer Prognose der umfassende Zugang zu diesen Dokumenten seinen Entscheidungsprozess tatsächlich konkret beeinträchtigen könnte. Dabei stellt das EuG klar, dass eine mögliche schwere Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses erst dann angenommen werden kann, wenn sich durch Äußerungen der öffentlichen Meinung die Gefahr des Drucks von außen verwirklicht.

Weiterführende Links:

Sonstiges

Rechtsanwaltsaustausch China - Deutschland

Die BRAK sucht Teilnehmer/innen für ein Seminar im Rahmen des Rechtsanwaltsaustausches China-Deutschland. Das Projekt führt die BRAK gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für die Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) und der All China Lawyers Association (ACLA) durch. Finanziert wird es von der Robert-Bosch-Stiftung. Seit November 2015 fanden bereits wiederholt Seminare mit engagierten deutschen und chinesischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten statt. Jeweils eine Woche lang tauschten sich die Teilnehmer über das Verständnis ihrer Rolle als Rechtsanwälte, die unterschiedlichen Rechtssysteme und die Rechtskulturen aus.

Das diesjährige Seminar findet vom 27. Mai bis 2. Juni 2018 in Dresden statt. Das Fachprogramm umfasst die Themen „Anwaltliches Berufsrecht" sowie „Umweltrecht". Die deutschen Teilnehmer werden die Möglichkeit haben, über eine Woche lang mit den chinesischen Kollegen die Rolle des Rechtsanwalts im Rechtsstaat und die unterschiedlichen Aspekte des Umweltrechts zu diskutieren. Neben dem fachlichen Programm sind Besuche relevanter Institutionen und Gespräche mit deren Repräsentanten geplant.

Weitere Einzelheiten sind der Ausschreibung zu entnehmen.

Weiterführender Link:

Impressum


Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)
Büro Brüssel, Avenue de Nerviens 85/9, 1040 Brüssel,
Tel.: +32 (0)2 743 86 46, Fax: +32 (0)2 743 86 56, E-Mail: brak.bxl(at)brak(dot)eu
Redaktion und Bearbeitung:
RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Hanna Petersen LL.M., RAin Doreen Barca-Cysique LL.M., RAin Katrin Grünewald LL.M., Natalie Barth
© Bundesrechtsanwaltskammer

Der Newsletter ist im Internet unter www.brak.de abrufbar. Wenn Sie diesen Newsletter zukünftig nicht mehr erhalten möchten, klicken Sie bitte hier.