Nachrichten aus Brüssel | Ausgabe 6/2022

Auslegung der Dublin-III-Verordnung zugunsten des Kindeswohls – EuGH

Generalanwalt Jean Richard de la Tour hat dem EuGH in seinen Schlussanträgen vom 24. März 2022 in der Rechtssache C-720/20 vorgeschlagen, dass die Dublin-III-Verordnung Nr. 604/2013 so auszulegen sei, dass im Sinne des Kindeswohls der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, in dem das Kind geboren wurde und gemeinsam mit seiner Familie seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

01.04.2022Newsletter

Im Ausgangsfall hatte eine russische Familie tschetschenischer Herkunft in Polen erfolgreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und war anschließend nach Deutschland übergesiedelt, wo ein weiteres Kind zur Welt kam. Dieses stellte in Deutschland seinerseits einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Hinweis auf den in Polen erfolgreich gestellten Antrag seiner Familie als unzulässig abgewiesen worden war. Generalanwalt de la Tour verneint die Vorlagefragen des Verwaltungsgerichts Cottbus, ob anhand einer analogen Auslegung der Dublin-III-Verordnung und der Asylverfahrensrichtlinie der Antrag des Kindes als unzulässig abgelehnt werden könne, weil dessen Familie bereits internationaler Schutz in Polen gewährt worden war. Er stellt darauf ab, dass das Kind seinen ersten Antrag in Deutschland gestellt habe und daher Deutschland für die Bearbeitung dieses Antrags zuständig sei. Die Schlussanträge sind für den EuGH nicht bindend.

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