Nachrichten aus Brüssel | Ausgabe 10/2023

Möglichkeit einer teilweisen Fortsetzung des Ausgangsverfahrens bei Einreichung eines Vorabentscheidungsersuchens – EuGH

Das vorlegende Gericht darf nach der Einreichung eines Vorabentscheidungsersuchens weiterhin Verfahrenshandlungen vornehmen, die es für erforderlich hält und es nicht daran hindern, später der Antwort des EuGH nachzukommen.

26.05.2023Newsletter

Der EuGH entschied in seinem Urteil vom 17. Mai 2023 in der Rechtssache BK und ZhP (C-176/22), dass es bei Fehlen einschlägiger Unionsvorschriften nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats ist, die verfahrensrechtlichen Modalitäten zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Dabei sind jedoch das Äquivalenzprinzip und der Grundsatz der Effektivität zu beachten, um die praktische Wirksamkeit der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts sicherzustellen.

Die Wahrung der praktischen Wirksamkeit des Verfahrens wird in der Praxis nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert durch eine nationale Regelung, nach der das Ausgangsverfahren zwischen dem Tag, an dem ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof gerichtet wird, und dem Tag, an dem der Gerichtshof dieses Ersuchen durch einen Beschluss oder ein Urteil beantwortet, fortgesetzt werden darf, um Verfahrenshandlungen vorzunehmen, die das vorlegende Gericht für erforderlich hält und die Aspekte ohne Bezug zu den Vorlagefragen betreffen. Dazu zählen Verfahrenshandlungen, die das vorlegende Gericht nicht daran hindern würden, diesem Beschluss oder Urteil im Rahmen des Ausgangsverfahrens nachzukommen. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass die Beurteilung, in welchem Verfahrensstadium sich eine Vorlage an den Gerichtshof anbietet, Sache des vorlegenden Gerichts ist. Da ein Vorabentscheidungsersuchen auch in einem frühen Stadium des Ausgangsverfahrens an den Gerichtshof gerichtet werden kann, muss es dem vorlegenden Gericht daher freistehen, dieses Verfahren mit Verfahrenshandlungen fortzusetzen, die es für erforderlich hält und die keinen Zusammenhang zu den Vorlagefragen aufweisen, solange es auf die Antwort des Gerichtshofs wartet.

Weiterführende Links: