Weihnachtsbrief

Weihnachtsbrief des BRAK-Präsidenten Dr. Ulrich Wessels

Mein Weihnachtsgruß des Jahres 2023, der mit gemischten Gefühlen auf das zurückliegende Jahr blickte, endete mit dem Gedanken: „Das Jahr 2024 hält also viele Herausforderungen und auch Chancen für uns bereit. Lassen Sie uns diese gemeinsam angehen und nutzen!“

19.12.2024Anwaltschaft
Dr. Ulrich Wessels

BRAK-Präsident RAuN Dr. Ulrich Wessels

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich gestehe: DAS habe ich nicht kommen sehen! Natürlich rechnete ich mit neuen Herausforderungen, die zu bewältigen mal mehr, mal weniger Anstrengung erfordern würde. Aber das? Hätten wir Wetten abgeschlossen, was das Jahr 2024 für uns bereithält, ich hätte haushoch verloren. Sie etwa nicht? Welche Überschrift würde man für das Jahr 2024 finden, die passend in knappen Worten die Ereignisse überspannt?

Für eine Kolumne habe ich mich für den Titel „Von Geburtstagskerzen und Brandbeschleunigern“ entschieden.

Denn schon der Jahresauftakt eben des Jahres, in dem unser Grundgesetz seinen 75. Geburtstag feiern sollte, hielt uns in Atem: Nach „Potsdam“ begaben sich wieder und wieder Hunderttausende auf Deutschlands Straßen, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen und für unsere Demokratie, für unseren Rechtsstaat einzustehen. Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts, unterschiedlichster Herkunft, unterschiedlichster Berufsgruppen, unterschiedlichster Glaubensrichtungen.

Wie könnte die Anwaltschaft, wie könnten die Organe der Rechtspflege angesichts solcher Entwicklungen schweigen? Ein Ding der Unmöglichkeit. Auch die Bundesrechtsanwaltskammer hat sich folgerichtig ein ums andere Mal dort zu Wort gemeldet, wo es den Rechtsstaat gegen Bedrohungen zu verteidigen galt. Sei es nach der Veröffentlichung der Pläne, die in Potsdam erörtert worden sein sollen, sei es bei der allen journalistischen Handwerkskunst und Regeln widersprechenden Berichterstattung über eine Dresdner Kollegin, die eine regelrechte Welle des Hasses gegenüber Kolleginnen und Kollegen mitverursacht hat, die auf dem Gebiet des Migrationsrechts tätig sind.

Vielfach wurden in diesem Jahr Grenzen überschritten. Entwicklungen, die sowohl einer Demokratie als auch eines Rechtsstaates unwürdig sind. Dies just in einem Jahr, das von Dankbarkeit hätte erfüllt sein sollen. Dankbarkeit für unsere Verfassung, für unsere rechtsstaatlichen Strukturen und unser hervorragendes Rechtssystem, für das uns andere Länder beneiden.

Wir haben versucht, dieser Dankbarkeit mit 75 Videos Ausdruck zu verleihen, die wir mit Unterstützung namhafter Persönlichkeiten aus Politik, Justiz und Anwaltschaft unter dem Motto „#Aufstehen“ veröffentlicht haben. Unser Rechtsstaat ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Privileg. Das sollte nicht in Vergessenheit geraten.

Nicht ohne Grund haben wir uns das gesamte Jahr über immer wieder für die Resilienz des Rechtsstaates, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, stark gemacht. Und just heute, während Sie diese Zeilen bereits lesen, steht die Resilienz des Bundesverfassungsgerichts zur zweiten und dritten Beratung auf der Tagesordnung des Bundestages. Ich hoffe, dass auch die Abgeordneten die elementare Bedeutung dieses Anliegens verstanden haben und ihren Beitrag zum Schutze unserer „Verfassungswächter“ leisten.

Die Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung hat uns in diesem Jahr natürlich auch beschäftigt – zu Beginn des Jahres positiv, zum Ende des Jahres eher negativ. Ist sie doch im Vermittlungsausschuss – völlig unverständlich - hängen geblieben.

Während man sich noch vom Ausgang der Wahlen in den USA erholte, erreichte uns die Nachricht vom „Ampel-Aus“. Auch dieses Ereignis hätte ich 2023 in meiner Glaskugel noch nicht erspäht. Etwas Beruhigung verschafft angesichts der Regierungskrise allerdings der Gedanke: „Wenn`s nicht funktioniert, mach neu!“ Die Vertrauensfrage hat der Kanzler wenig überraschend verloren und es bleibt nun abzuwarten, was 2025 politisch parat hat. Einen Neubeginn wünsche ich mir indes nicht, wenn es um rechtspolitische Forderungen der Anwaltschaft geht. Wir sind nicht bereit, hier zurück auf Los zu gehen, sondern werden auch vor den Neuwahlen weiter Druck ausüben.

Was erwartet uns im Jahr 2025? Die Themen Resilienz und Rechtsstaat werden weiter eine tragende Rolle spielen. Ich blicke mit Spannung darauf, wer in dem für uns so wichtigen Bundesjustizministerium einziehen wird. Die Digitalisierung der Justiz wird viel Raum einnehmen und hoffentlich zügig voranschreiten. Weiter beschäftigen wird uns sicherlich das Thema Fachkräftemangel, Nachwuchsgewinnung und Zugang zum Recht – gerade in der Fläche.

Und wenn es nach mir geht, werden wir weiter große Fortschritte in Sachen Diversität im Anwaltsberuf und in der Justiz machen und zudem die dringend notwendige Reform der Juristenausbildung angehen.

Fromme Wünsche? Ich denke nicht. Eher ein hoffnungsvoller Blick in unsere Zukunft. Denn was immer das Jahr 2025 bringen mag – und nach den Jahren 2020 bis 2024 wage ich mich nicht mehr an eine spezifische Prognose bevorstehender Ereignisse: Zu einem guten Teil haben wir selbst in der Hand, was wir daraus machen. Durch unsere Haltung, unser Engagement und unser Eintreten für den Rechtsstaat!

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien von Herzen eine besinnliche Weihnachtszeit und ein erfolgreiches, von Glück erfülltes und vor allem gesundes Jahr 2025!

Herzlichst Ihr Ulrich Wessels

Reingehört!

Podcast (R)ECHT INTERESSANT! - BRAK-Pressesprecherin und Geschäftsführerin RAin Stephanie Beyrich im Gespräch mit BRAK-Präsident RAuN Dr. Ulrich Wessels

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