Anwaltsberuf darf nicht zur Zielscheibe machen
Anwältinnen und Anwälte müssen ihre beruflichen Aufgaben ohne Angst vor Repressalien, Einschüchterung oder Belästigung ausüben können, fordert Dr. Tanja Nitschke im Editorial des aktuellen BRAK-Magazins. Anlass sind aktuelle Bedrohungs-Fälle in Frankreich und eine europaweite Studie zu Aggression gegen die Anwaltschaft.
„Niemand von uns darf wegen unseres Berufs zur Zielscheibe werden!“ fordert Dr. Tanja Nitschke im Editorial des gerade erschienenen Heft des BRAK-Magazins. Darin berichtet sie, wie 60 französische Anwaltskolleginnen und -kollegen zu Zielscheiben von Rechtsextremen gemacht wurden, indem ein Magazin ihre Fotos, Namen und Kanzleiorte veröffentlichte, zusammen mit dem Hinweis, sie seien „Komplizen“ von Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Das Ergebnis lässt sich leicht erahnen: Eine Flut von Beleidigungen und Drohungen ergoss sich über die Genannten, und es wurde mehr oder weniger deutlich zu Gewalt gegen sie aufgefordert. Dabei hatten sie ganz schlicht ihre Arbeit getan: nämlich Personen migrationsrechtlich beraten und vertreten.
Der geschilderte Fall spielt in Frankreich, erinnert aber stark an das, was im Migrationsrecht tätige Anwältinnen und Anwälte in Deutschland seit dem Spätsommer 2024 erlebten. Damals wurde eine Dresdener Rechtsanwältin zum Ziel rechtsextremistischer Bedrohungen, weil sie den späteren Messerattentäter von Solingen ein Jahr zuvor in seinem Asylverfahren vertreten hatte.
Eine aktuelle Studie des Rates der Europäischen Anwaltschaften – die in den aktuellen BRAK-Mitteilungen im Detail vorgestellt wird – zeigt, dass diese Fälle Ausdruck eines insgesamt raueren Klimas sind, das Anwältinnen und Anwälte bei ihrer Arbeit erleben. Daher betont Nitschke: Es ist wichtig, dass Kolleginnen und Kollegen, die konkret mit Bedrohungen und Aggression konfrontiert sind, Solidarität und Schutz erfahren. Staat, Anwaltschaft und Zivilgesellschaft sind hier gleichermaßen gefragt, Diffamierungen und Angriffen entgegenzutreten. Denn unser Job – eine unabhängige Beratung und Vertretung – ist nur möglich, wenn Anwältinnen und Anwälte ihre beruflichen Aufgaben ohne Angst vor Repressalien, Einschüchterung oder Belästigung ausüben können. Die jüngsten Entwicklungen etwa in den USA und der Türkei, wo die Regierung die Anwaltschaft massiv unter Druck setzt, zeigen erneut, wie wichtig dies ist.
Vor diesem Hintergrund ist es ein bedeutender Schritt, dass die Konvention zum Schutz des Anwaltsberufs Mitte März vom Ministerkomitee des Europarats angenommen wurde und nun die Ratifizierungsphase beginnen kann. Sie soll verbindliche Schutzstandards für die anwaltliche Berufsausübung bringen.
Weiterführende Links:
- Editorial 1/2025
- BRAK-Magazin 1/2025
- Krautschneider, BRAK-Magazin 1/2025, 4 (zum Tag des verfolgten Anwalts)
- Nachrichten aus Berlin 25/2024 v. 12.12.2024 (zur CCBE-Studie)
- Nitschke, BRAK-Mitt. 2025, 8 (zu den Ergebnissen der CCBE-Studie im Detail)
- Presseerklärung Nr. 5/2025 (zu den Repressionen gegen den Vorstand der Istanbuler Anwaltskammer)
- Presseerklärung Nr. 3/2025 (zu den Repressionen gegen US-amerikanische Kanzleien und Anwaltsorganisationen)
- Nachrichten aus Brüssel 5/2025 v. 15.3.2025 (zur Annahme der Europarats-Konvention)
Hintergrund
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