Cannabis-Legalisierung

Bundesrat billigt Cannabisgesetz - Legalisierung kommt am 1. April

Trotz zwischenzeitlich massiven Widerstands der Länder fand sich keine Mehrheit für den Vermittlungsausschuss. Damit das CanG tatsächlich am 1. April in Kraft treten kann, muss es nur noch der Bundespräsident unterzeichnen.

22.03.2024Gesetzgebung

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung am 22. März 2024 das Cannabisgesetz (CanG) gebilligt. Keiner der Anträge auf Einberufung des Vermittlungsausschusses fand eine Mehrheit. Damit ist der Weg frei für ein geplantes Inkrafttreten von großen Teilen des Gesetzes am 1. April 2024.

Die Vorschriften für den gemeinschaftlichen Eigenanbau in den sogenannten Anbauvereinigungen (Cannabis Social Clubs) sollen hingegen erst am 1. Juli 2024 in Kraft treten. Bis dahin soll das Gesetz an einigen Punkten entsprechend einer zusätzlichen vierseitigen Erklärung, die im Bundesrat zu Protokoll gegeben wurde (Protokollerklärung) noch einmal geändert werden. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein rechtsverbindliches Dokument, sondern um eine politische Absichtserklärung.

Gesetzentwurf der Bundesregierung (CanG):
20/8704

 Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates:  20/8763

Protokollerklärung

Abstimmung im Bundesrat

Trotz zwischenzeitlich massiven Widerstands der (nicht nur der unionsgeführten) Länder stimmte die Länderkammer letztlich nicht für die Einberufung des Vermittlungsausschusses gem. Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes. Hierfür hätte es im Plenum eine Mehrheit von mindestens 35 der insgesamt 69 Stimmen gebraucht. Letztlich hatten sich aber die meisten der rot bzw. grün-regierten Bundesländer enthalten, sodass dieses Quorum nicht erreicht wurde. Neben den unionsgeführten Ländern stimmten allerdings auch das Saarland (SPD) sowie Baden-Württemberg (Grün) für die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Sachsens Votum war uneinheitlich und damit ungültig – währen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) dafür gestimmt hatte, enthielt sich sein Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD).

Der Abstimmung ging eine hitzige Debatte zwischen Befürwortern und Gegnern des Gesetzes voraus, Bundesgesundheitsminister Lauterbach (SPD) nutzte die Gelegenheit noch einmal, um für sein Vorhaben zu werben. Dabei verwies er auch noch einmal auf die zuvor abgegebene Protokollerklärung, mit der er Bedenken aus den Bundesländern begegnen will.  

Das Gesetz war bis zuletzt sehr umstritten. Viele Unionsabgeordnete hatten sich eine völlige Aufgabe des Legalisierungsvorhabens gewünscht. Doch auch die Landesregierungen, die von den Regierungsparteien angeführt werden, hatten bis zuletzt Mängel an dem Gesetz beklagt. Deswegen galt die Anrufung des Vermittlungsausschusses zwischenzeitlich als wahrscheinlichstes Szenario.

Amnestie-Regelung

Hauptgrund für den Widerstand auch der Justizminister auch der rot und grün geführten Länder war die im Gesetz enthaltene Amnestie-Regelung in § 313 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB), nach der frühere Verurteilungen wegen Cannabis-Vergehen nach neuen Recht nicht mehr durchsetzbar sein sollten. Danach sollen alle noch nicht vollständig vollzogenen Urteile bei Cannabis-Delikten ausgesetzt werden, sodass Verurteilte die (Rest-)strafe nicht mehr verbüßen müssen. Wer wegen Cannabis- und anderer Delikten gemeinsam verurteilt wurde, bei dem muss eine neue (Gesamt-)Strafe gerichtlich festgesetzt werden. Die Justizressorts der Bundesländer hatten ausgerechnet, dass in etwa 100.000 Papierakten deswegen erneut überprüft werden müssten und dass dies nicht in einer so kurzen Frist zu schaffen sei.

Wie man diesem Problem begegnen könnte, dazu gab es mehrere Vorschläge: Ein Vorschlag war es, den Straferlass an einen Antrag des Verurteilten zu knüpfen – dies wurde aber letztlich nicht aufgegriffen. Lediglich ein Antrag, die Tilgung von Cannabis-Strafen aus dem Bundeszentralregister zu streichen, hatte im Rechtsausschuss eine Mehrheit gefunden. Zudem hatte sich der Rechtsausschuss dafür ausgesprochen, den vorgesehenen rückwirkenden Straferlass überhaupt nicht auf die Vollstreckung bereits verhängter Strafen zu erstrecken. Sollte sich hierfür keine Mehrheit finden, sollte alternativ die Verpflichtung zum rückwirkenden Erlass der Strafen nicht bereits zum Inkrafttreten des Gesetzes angeordnet werden, sondern erst nach einer Übergangsregelung. Der Gesundheitsausschuss sowie der Ausschuss für innere Angelegenheiten hatten sogar empfohlen, das gesamte Gesetz erst frühestens zum 1. Oktober in Kraft treten zu lassen.

Zwischenzeitlich wurde sogar darüber debattiert, ob sich Beschäftigte in der Justiz gem. § 345 Strafgesetzbuch (StGB) wegen Vollstreckung gegen Unschuldige oder gem. § 239 StGB wegen Freiheitsberaubung durch Unterlassen strafbar machen könnten, wenn wegen Cannabis-Delikten Inhaftierte nicht unverzüglich aus der Haft entlassen würden. Diese Befürchtungen räumt die Protokollerklärung aber aus: Meist würden hier Vorsatz oder Leichtfertigkeit fehlen. Würden die (gleich dringenden) Verfahren nach und nach ordnungsgemäß abgearbeitet, dürfte zudem eine rechtfertigende Pflichtenkollision vorliegen. Danach handelt eine Person hinsichtlich der unterlassenen Handlung gerechtfertigt, wenn sie von mehreren gleichrangigen Handlungspflichten nur eine erfüllen kann.

Auch Haftentschädigungsansprüche kommen wohl nicht in Betracht. § 1 Absatz 1 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) gelte nur für eine strafverfahrensmäßige Rechtskorrektur. „Wir gehen davon aus, dass dies bei einer Amnestie, also einer Straffreiheit oder Strafmilderung durch Gesetz, nicht gegeben ist“, heißt es in der Protokollerklärung.

Zwischenzeitlich hieß es zwar, man könne noch vor der Sitzung des Bundesrats ein Änderungsgesetz zum CanG auf den Weg bringen und das Inkrafttreten der Amnestie-Regelung im CanG verschieben. In der Protokollerklärung heißt es jetzt aber nur noch: "Die Anwendung dieser Regelung auch im Fall des Cannabisgesetzes ist eine Frage der Gerechtigkeit und trägt verfassungsrechtlichen Prinzipien Rechnung." Außerdem widerspräche die Vollstreckung der Strafen dem „Gerechtigkeitsgefühl der Bevölkerung“. Damit ist klar:

Die Länder müssen die Akten schnellstmöglich bearbeiten, die Amnestie-Regelung kann nicht ausgeschlossen werden.

Weitere umstrittene Punkte

Der federführende Gesundheitsausschuss sowie der Ausschuss für innere Angelegenheiten hatten dem Bundesrat noch weitere Gründe für die Einberufung des Vermittlungsausschusses geliefert. Sie betrafen im Wesentlichen die festgelegten Mengenbegrenzungen für den Besitz, die Mindestabstände beim öffentlichen Konsum, die Genehmigung der Anbauvereinigungen sowie die Regelungen zum Inkrafttreten des Gesetzes.  

Doch auch diesen Punkten konnte Lauterbach mit der Protokollerklärung wohl insoweit begegnen, dass es bei vielen Ländern zumindest für die Enthaltung reichte. So sieht die Protokollerklärung folgende Änderungen am bereits beschlossenen Gesetzentwurf vor dem 1. Juli vor: Der Bund soll mehr (u. a. finanzielle) Unterstützung bei der Kinder- und Jugendschutz/Suchtprävention geben.

Im Hinblick auf die Anbauvereinigungen sieht die Protokollerklärung nun „Flexibilisierungen“ vor: Im Cannabisgesetz ist derzeit eine jährliche Kontrolle der Anbauvereinigungen als Soll-Regelung vorgesehen. Jetzt werden nur noch „regelmäßige“ Kontrollen vorgesehen. Zudem soll durch verschiedene Maßnahmen verhindert werden, dass die Anbauvereinigungen gewerblich werden.

Außerdem soll das Gesetz nun „engmaschig“ evaluiert werden: Die erste Evaluation soll 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes kommen und die Auswirkungen der Konsumverbote auf den Kinder- und Jugendschutz sowie auf das Konsumverhalten von Kindern und Jugendlichen betreffen. Außerdem sollen die Abstandsregelungen und die Besitz- und Weitergabemengen in Anbauvereinigungen evaluiert werden.

Was sich ab dem 1. April jetzt ändert

Das Gesetz, das nun zum 1. April großteilig in Kraft tritt, sieht eine Teillegalisierung von Cannabis vor. Es erlaubt den Besitz von bis zu 25 Gramm, in den eigenen vier Wänden von bis zu 50 g Cannabis. Auch der Anbau von drei Cannabispflanzen in der eigenen Wohnung wird legal, wobei das dabei geerntete Cannabis nur für den Eigenverbrauch bestimmt ist und nicht weitergegeben werden darf.

Für Minderjährige bleiben Besitz und Konsum von Cannabis verboten. In ihrer Gegenwart dürfen auch Erwachsene kein Cannabis zu sich nehmen. Ein Konsumverbot besteht zudem in Sichtweite bzw. in einem Abstand von 100 Metern Luftlinie u.a. von Schulen, Kindertagesstätten und Anbauvereinigungen sowie in Fußgängerzonen vor 20 Uhr.

Ebenfalls verboten bleiben der An- und Verkauf von Cannabis. Wer jedoch nicht selbst Pflanzen anbauen möchte, kann dies ab dem 1. Juli in Anbauvereinigungen tun. Diese sind als eingetragene nichtwirtschaftliche Vereine oder Genossenschaften organisiert und dürfen nicht mehr als 500 Mitglieder haben. Minderjährigen ist die Mitgliedschaft untersagt. Volljährige dürfen nur in einer einzigen Anbauvereinigung Mitglied sein und müssen aktiv am Anbau mitzuwirken. Eine passive Mitgliedschaft, die einzig auf den Erwerb von Cannabis gerichtet ist, sieht das Gesetz nicht vor.

Die Regierung erhofft sich von dem Vorhaben, den Schwarzmarkt weitestgehend auszutrocknen und der gescheiterten Drogenpolitik zu begegnen. Durch verbesserte Aufklärung und Prävention sowie weniger verunreinigte Substanzen soll der Gesundheitsschutz der Konsumentinnen und Konsumenten verbessert werden. Dabei soll dem Kinder- und Jugendschutz weiterhin Rechnung getragen werden.

Damit das CanG tatsächlich am 1. April, Ostermontag, in Kraft treten kann, muss es in den nächsten Tagen nur noch der Bundespräsident unterzeichnen.