Cannabis-Legalisierung

Bundestag debattiert hitzig, Bundesregierung antwortet Bundesrat

Der Bundestag hat sich das erste Mal mit dem geplanten Cannabisgesetz befasst. Die Bundesregierung teilt die Bedenken des Bundesrates nicht.

20.10.2023Gesetzgebung

Der Bundestag hat am Mittwoch, den 18. Oktober 2023, erstmals den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Cannabisgesetz (CanG) beraten (20/870420/8763). Nach der Debatte im Plenum überwiesen die Abgeordneten die Initiative in die Fachausschüsse, wobei der Gesundheitsausschuss die Federführung hat. Auch über die ablehnenden Positionen von CDU/CSU sowie der AfD in Bezug auf die Legalisierung der Droge soll dort beraten werden. Außerdem geht die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vom 11. Oktober 2023 auf die kritische Stellungnahme des Bundesrates (20/8763) ein, teilt darin aber die Bedenken der Länderkammer größtenteils nicht.

Erste Lesung im Bundestag

Die mit Spannung erwartete erste Lesung zum umstrittenen CanG war ursprünglich für Freitag, den 13. Oktober, geplant. Wegen des Angriffs auf Israel hatte sich die Bundesregierung jedoch entschieden, das umstrittene Thema zugunsten eines neuen Punktes, der Solidarität mit Israel, von der Tagesordnung zu nehmen. Eine derartige Debatte, bei der Oppositions- und Regierungsfraktionen derart gespalten sind, passe nicht zur weltpolitischen Lage, hieß es zur Begründung. Man habe in dieser Woche geeint auftreten wollen. Den Zeitplan solle das aber insgesamt nicht verzögern.

Die Debatte weniger Tage später fand dann erst kurz vor Feierabend statt und dauerte nur 45 Minuten. Dennoch wurde es Medienberichten zufolge sehr emotional. Zunächst präsentierte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erneut die sachlichen Vorzüge des Vorhabens, insbesondere die Eindämmung des Schwarzmarktes und die gescheiterte Drogenpolitik.  

Klar ist aber:

Auch wenn man sich innerhalb der Ampel-Regierung großteilig einig ist in Bezug auf das „Ob“ der Legalisierung, so herrscht Uneinigkeit über das „Wie“.

Das spiegelte sich auch in den Redebeiträgen von Grünen- und FDP-Abgeordneten wieder. So solle – anders als bislang – der Konsum von THC in Keksen oder Gummibärchen erlaubt werden. Auch die Kontrolle der Abstandsregelungen für den Konsum (200 Meter von u.a. Spielplätzen und Schulen entfernt) wurde erneut unpraktikabel kritisiert. Nach Informationen der LTO soll es darüber hinaus allein 70 Prüfbitten von FDP und Grünen an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geben, das Gesetz zugunsten von Konsumentinnen und Konsumenten sowie von Anbauvereinigungen zu entbürokratisieren. So z.B. bei der Frage, ob der gemeinschaftliche Konsum in den Vereinigungen wirklich verboten werden soll, wie es aktuell geplant ist.

Die Unionsfraktion fordert hingegen, die geplante Cannabislegalisierung zu stoppen und stattdessen die Bevölkerung über die Risiken der Droge aufzuklären. Der Entwurf des Cannabisgesetzes sei unverantwortlich und führe in die falsche Richtung, heißt es in dem Antrag der Fraktion „Cannabislegalisierung stoppen, Gesundheitsschutz verbessern – Aufklärung, Prävention und Forschung stärken“ (20/8735). Insbesondere junge Menschen bis 25 Jahre seien durch den Konsum von Cannabis gefährdet, da bei ihnen die Entwicklung des Gehirns noch nicht abgeschlossen ist. Außerdem bestehe bei vulnerablern Personen das Risiko psychischer Erkrankungen wie Psychosen. Die Legalisierung werde nun aber zu einer Ausweitung des Cannabiskonsums führen. Auch eine Entlastung der Justiz oder ein Zurückdrängen des Schwarzmarktes rechnet die Union nicht. Zu erwarten sei schließlich ein immenser Vollzugs- und Überwachungsaufwand. In der Bundestagsdebatte äußerten Abgeordnete zudem die Frage, ob die Regierung aktuell keine drängenderen Probleme in der Gesundheitspolitik habe – etwa in der Pflege oder bei der Medikamentenknappheit.

Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat hatte bereits am 29. September 2023 über den Gesetzentwurf debattiert und die Bundesregierung in einer 46-seitigen Stellungnahme aufgefordert, einige Verschärfungen vorzunehmen, und meldete Zweifel an der Umsetzbarkeit des aktuellen Entwurfs an. Die Länderkammer befürchtet unter anderem hohe finanzielle Folgebelastungen der Länder durch Kontroll- und Vollzugs- sowie Präventions- und Interventionsaufgaben. Als Beispiel angeführt wird die Kontrolle der Anbauvereinigungen. Auch die praktische Umsetzung der geplanten Jugendschutzzonen im öffentlichen Raum und Schutzvorkehrungen im privaten Raum sei nach Einschätzung der Länderkammer kritisch zu hinterfragen. Hier deute sich ein strukturelles Vollzugsdefizit an. Der Bundesrat bezweifelt auch die wirksame Kontrolle des zulässigen Höchstwertes des Cannabis-Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) und hält neue, hochpotente Cannabis-Sorten für möglich.

Die Bundesregierung teilt die Bedenken des Bundesrates zum Vollzugsaufwand in ihrer Gegenäußerung jedoch größtenteils nicht. So sei voraussichtlich erst nach fünf Jahren die geschätzte Gesamtzahl von 3.000 Anbauvereinigungen erreicht. Die Länder könnten die Personal- und Sachmittelkapazitäten sukzessive anpassen. Zudem erwartet der Bund mit der Entkriminalisierung hohe Einsparungen der Länder durch weniger Strafanzeigen und weniger Strafverfahren. Die eingesparten Mittel könnten für die Überwachung der Anbauvereinigungen sowie für die Suchtprävention eingesetzt werden. Aufklärung und Prävention sowie gesetzliche Vorgaben für die Anbauvereinigungen trügen zu einem umfassenden Gesundheits- und Jugendschutz bei, heißt es weiter.

THC-Grenzwert im Straßenverkehr

Die bislang fehlende Anpassung der THC-Grenzwerte im Straßenverkehr war sowohl im Bundestag als auch zuvor im Bundesrat ein Thema. Aktuell liegt der Grenzwertbei 1 ng/ml und ist damit so niedrig, dass auch völlig nüchterne und fahrtaugliche Cannabis-Konsumierende mit einem Bußgeld oder gar einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) rechnen müssen. Mehrfach wurde hier der Wunsch geäußert, es möge schneller gehen. Verantwortlich für eine Anpassung ist laut CanG jedoch Verkehrsminister Volker Wissing.

Die Bundesregierung antwortete dem Bundesrat hierzu daher, eine interdisziplinäre Expertengruppe des Bundesverkehrsministeriums habe bereits das Ziel, Grenzwerte zu ermitteln. Diese hatte ursprünglich das Ziel, die Anpassung bis Frühjahr 2024 eingehend zu prüfen. Nun sieht es nach Aussagen Lauterbachs in den Medien aber so aus, als solle der neue Grenzwert bis zum geplanten Inkrafttreten des CanG Anfang 2024 stehen. 

Wie es weitergeht

Die Gegenäußerung der Bundesregierung wird noch dem Bundestag zur Entscheidung vorlegt. Die eigentlich für den 18. Oktober geplante Sachverständigenanhörung im Gesundheitsausschuss Anhörung wurde aufgrund der Verschiebung der ersten Lesung auf den 6. November vertragt. Parallel beraten die Ampelfraktionen untereinander, auf welche Änderungsanträge sie sich verständigen können. Die zweite und dritte Lesung im Bundestag soll am 16. November stattfinden – dann soll das Gesetz auch verabschiedet werden. Dann befasst sich der Bundesrat noch einmal abschließend damit, zustimmen muss er aber nicht. Möglich wäre hier allenfalls die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Der Bundesrat kann außerdem Einspruch einlegen - dieser kann jedoch mit entsprechenden Mehrheiten im Bundestag überstimmt werden. Planmäßig soll das Gesetz weiterhin, wie geplant, Anfang 2024 in Kraft treten.