Russland-Sanktionen

Durchsuchung von Kanzlei rechtswidrig: Auch russische Unternehmer brauchen Anwälte

Das LG Frankfurt a.M. hat den Durchsuchungsbeschluss gegen die Anwaltskanzlei eines sanktionierten Russen für rechtswidrig erklärt.

14.09.2023Rechtsprechung

Die Durchsuchung einer Anwaltskanzlei, die den russisch-usbekischen Unternehmer Alischer Usmanow vertritt, war laut einem Beschluss des Landgerichts (LG) Frankfurt a.M. von Anfang August rechtswidrig. Laut FAZ führte das Gericht an, das Bundeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hätten bei der Durchsuchung im Februar 2023 „rechtsstaatliche Grundsätze missachtet“, was als „schwerwiegender Grundrechtseingriff“ bezeichnet worden sei. Die Annahme des Anwaltshonorars für die Beratung des Unternehmers, der auf der Sanktionsliste der EU steht, falle nicht unter die Sanktionsvorschriften. Jeder habe das Recht, sich verteidigen zu lassen – und müsse dafür auch bezahlen dürfen.

Der Beschluss im Original liegt verschiedenen Medien, u. a. der FAZ, vor – auf Anfrage beim Gericht hieß es jedoch gegenüber der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), man dürfe den Beschluss wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens noch nicht herausgeben. Lediglich die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M. erteilte Auskünfte zum Verfahren.

Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt durchsuchte Kanzleiräume

Im vorliegenden Fall hatte eine auf Wirtschafts- und Steuerstrafsachen spezialisierte Münchener Kanzlei den Unternehmer vertreten und hierfür einen – laut Auskunft der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt - sechsstelligen Geldbetrag als Zahlungsvorschuss angenommen. Laut Berliner Zeitung handelte es sich um glatte 100.000 Euro. Dieser stammte jedoch nicht von Usmanow selbst, sondern von einer nicht sanktionierten Moskauer Anwaltskanzlei.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt leitete daraufhin wegen des Verdachtes einer Straftat nach § 18 Außenwirtschaftsgesetz ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Rechtsanwälte dieser Kanzlei ein. Der Vorwurf: Sie hätten das Geld nicht annehmen dürfen, weil Usmanow auf der Sanktionsliste der EU stand und damit dem sog. Bereitstellungsverbot unterliege. Dies soll verhindern, dass einer sanktionierten Person ohne Genehmigung über Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen verfügen können. Laut Auskunft der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft sollen die Beschuldigten den erhaltenen Betrag nicht zur Genehmigung bei der für die Überwachung der Sanktionen zuständigen Deutschen Bundesbank angezeigt haben, weil sie der Auffassung waren, dass keine Genehmigungspflicht bestünde. Erst nach einem Hinweis hätten sie eine Genehmigungsanfrage gestellt. Laut FAZ hätte die Bundesbank jedoch noch im Dezember 2022 mitgeteilt, dass die Annahme der Zahlung nicht zu beanstanden sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt jedoch war weiterhin der Auffassung, dass auch anwaltliche Vertretung gegen die Sanktionsvorschriften verstoße. Sie erwirkte einen Durchsuchungsbeschluss gegen die Kanzlei durch den Ermittlungsrichter am Amtsgericht Frankfurt. Am 27. Februar 2023 kam es dann zur Durchsuchung, um Beweismittel zu der Zahlungsabwicklung, Rechnungsstellung und den diesbezüglichen Absprachen hierzu sicherzustellen.

LG Frankfurt: Auch Unternehmer brauchen Anwälte

Die Durchsuchung war aber nach Auffassung des LG Frankfurt a.M. rechtswidrig. Laut FAZ heißt es in dem Beschluss, anwaltliche Leistungen fielen „schon dem Wortlaut nach nicht unter die Sanktionsvorschriften“. Und „Zudem habe jeder das Recht, sich effektiv verteidigen zu lassen, was notwendigerweise auch die Zahlung von Anwaltskosten umfasse.“

Laut Berliner Zeitung heißt es in der Entscheidung außerdem, die Honorarzahlung sei weder „dem usbekischen Unternehmer zugutegekommen noch habe er darüber die Verfügungsgewalt. Die Zahlung diene auch nicht der Unterstützung von Handlungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg.“ Und „Die Voraussetzungen hätten mangels eines Anfangsverdachts nicht vorgelegen.“

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt führt hierzu nur an, das Gericht habe „eine andere Rechtsauffassung vertreten als das Amtsgericht“, generell würden „unterschiedliche Auffassungen zur Reichweite der Strafbestimmung des § 18 Außenwirtschaftsgesetz im Zusammenhang mit Sanktionen vertreten“.

Zum Hintergrund: Der Unternehmerist bereits seit vergangenem Jahr mehreren Strafverfahren der Staatsanwaltschaft München II und Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft ausgesetzt. Die Vorwürfe lauten u.a. Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Sanktionsvergehen. In diesem Kontext haben bereits mehrere Durchsuchungen von Immobilien und der in Bremen liegenden Yacht stattgefunden. Vier Durchsuchungen wurden später für rechtswidrig erklärt, weil ein Anfangsverdacht gefehlt haben soll. Zudem ist eine Verfassungsbeschwerde des Unternehmers anhängig, weil er die Sanktionen gegen seine Person als Verletzung seiner Menschenwürde sieht.

BRAK äußerte schon früh Zweifel am 8. EU-Sanktionspaket

Der aktuelle Fall zeigt, dass die bereits im 2022 geäußerten Bedenken der BRAK gegen das 8. EU-Sanktionspaket berechtigt waren. Mit einem Schreiben vom 07.10.2022 wandte sich die BRAK damals an Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann und forderte diesen auf, für die Sicherung von Rechtsstaatlichkeit und uneingeschränkter Berufsausübungsfreiheit der Anwaltschaft einzustehen. Sie hielt es für keinesfalls gerechtfertigt und verfassungsrechtlich überaus bedenklich, dass die rechtliche Beratung von in Russland niedergelassenen juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen wesentlich eingeschränkt werden sollte. Dies verstoße gegen rechtsstaatliche Grundsätze und dürfe in Deutschland schon aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Anwendung finden. Jeder habe das gesetzlich verankerte Recht, sich durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vertreten zu lassen.