BVerfG: Strategische Fernmeldeüberwachung durch BND teilweise verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht hat die strategische Inland-Ausland-Fernmeldeüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst für teilweise verfassungswidrig erklärt. Grund hierfür ist unter anderem der unzureichende Vertraulichkeitsschutz, auch in Bezug auf Mandatskommunikation von Anwältinnen und Anwälten.
Die Befugnis des Bundesnachrichtendienstes (BND) zur strategischen Inland-Ausland-Fernmeldeüberwachung im Bereich der Cybergefahren ist in ihrer derzeitigen Ausgestaltung verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht Anfang November entschieden. Die Vorschriften gelten bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31.12.2026, weiter.
Der BND darf nach derzeitigem Recht personenbezogene Daten im Wege der heimlichen strategischen Inland-Ausland-Fernmeldeüberwachung im Bereich der Cybergefahren erheben und verarbeiten. Nach Ansicht des BVerfG ist diese Befugnis trotz ihres besonders hohen Eingriffsgewichts aufgrund des überragenden öffentlichen Interesses gerade auch an der Aufklärung von internationalen Cybergefahren zum Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter grundsätzlich mit Art. 10 I GG vereinbar. Jedoch fehlt derzeit eine hinreichende Regelung zur Aussonderung von Daten aus rein inländischen Telekommunikationsverkehren.
Mit mehreren Verfassungsbeschwerden hatten sich deutsche und ausländische Staatsangehörige, die beruflich und privat mittels E-Mail, Telefon und Messengerdiensten Kontakt ins Ausland oder vom Ausland nach Deutschland unterhalten, gegen die in § 5 I G10 geregelten Befugnisse des BND zur strategischen Inland-Ausland-Fernmeldeüberwachung gewandt. Einer der Beschwerdeführer ist als Rechtsanwalt im Bereich des Datenschutz- und IT-Rechts tätig. Ein weiterer Beschwerdeführer ist der deutsche Ableger einer internationalen Nichtregierungsorganisation für den Schutz der Menschenrechte, weitere sind für den Menschenrechtsschutz im Ausland engagiert.
Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden überwiegend für begründet gehalten. Die Befugnis zur Datenerhebung und -verarbeitung im Wege der strategischen Inland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nach § 5 I G 10 verletze das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 I GG, weil sie nicht in vollem Umfang dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. Beanstandet hat das BVerfG u.a.
- das Fehlen hinreichend bestimmter und normenklarer Regelungen zur Aussonderung von Daten aus der reinen Inlandskommunikation, an der nur deutsche Staatsangehörige oder inländische Personen beteiligt sind,
- unzureichende Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung auch gegenüber ausländischen Personen im Ausland, inklusive der Kommunikation mit Personen des höchstpersönlichen Vertrauens,
- eine zu kurze Dokumentationsfrist, die Betroffenen keine hinreichende Nachprüfung ermögliche,
- die nicht hauptamtliche Stellung und nicht zwingend richterliche Qualifikation der Mitglieder der kontrollierenden G 10-Kommission.
Einige der Beschwerdeführenden hatten sich explizit auf ihre Anwaltseigenschaft berufen. An anderer Stelle hat das BVerfG die Mandatskommission explizit als vom Kernbereichsschutz umfasst angesehen. Daher dürfte in der Entscheidung auch eine Stärkung auch des Mandatsgeheimnisschutzes zu erblicken sein.
Weiterführende Links: