Bürokratieabbau: Schriftform aus Sicht der BRAK in vielen Fällen verzichtbar
Das geplante vierte Bürokratieentlastungsgesetz soll unter anderem unnötige Schriftformerfordernisse abschaffen. Die BRAK begrüßt das, äußert aber an einigen Stellen Bedenken. Einladungen zu Kammerversammlungen bedürfen aber aus ihrer Sicht keiner Schriftform, daher fordert die BRAK hier eine Vereinfachung.
Mit dem im Januar vorgelegten Entwurf für ein viertes Bürokratieentlastungsgesetz für Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Verwaltung will das Bundesministerium der Justiz Abläufe vereinfachen und so unnötigen Verwaltungsaufwand reduzieren. Unter anderem setzt der Entwurf darauf, Formerfordernisse abzuschaffen oder zu reduzieren, damit mehr Rechtsgeschäfte ohne Medienbrüche abgewickelt werden können. Der Entwurf ist Teil eines ressortübergreifenden Bürokratieabbaupakets, zu dem auch das umstrittene Wachstumschancengesetz gehört. Entbürokratisierung hatten sich die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt.
In ihrer Stellungnahme zu dem Referentenentwurf äußert die BRAK sich differenziert zu den einzelnen geplanten Regelungen. Das Wegfallen der gesetzlichen Schriftform hält sie überall dort für unbedenklich, wo ihr Zweck – unter anderem Rechtssicherheit und Schutz vor Übereilung – entweder anders gewährleistet ist oder nur geringere Bedeutung hat. Dies gilt etwa für die geplanten Änderungen bei der Beschlussfassung in Vereinen oder bei bestimmten Vereinbarungen im Miet- und Pachtrecht. Dass nunmehr Zeugnisse bei dauernden Dienstverhältnissen in elektronischer Form möglich werden sollen, spiegelt aus Sicht der BRAK die Realität besser wider, da in Bewerbungen ohnehin regelmäßig die Arbeitszeugnisse digital beigefügt werden.
Bedenken äußert die BRAK jedoch dagegen, den Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung seiner Wohnung in Textform zu ermöglichen. Hier sei es wichtig, Beweiszweifel über den fristgemäßen Zugang zu vermeiden.
Kritisch sieht die BRAK die geplante Streichung von § 7a Unterhaltsvorschussgesetz. Die Vorschrift schließt den Regress der Unterhaltsvorschusskasse gegen einen Unterhaltspflichtigen aus, der nur Leistungen nach dem SGB II bezieht. Sie dient dem Schuldnerschutz und soll vermeiden, dass die Sozialbehörden Geld für die von vornherein aussichtslose Durchsetzung übergegangener Unterhaltsansprüche aufwenden. Die geplante Streichung der Vorschrift hat aus Sicht der BRAK mit Bürokratieabbau nichts zu tun, sondern bewirkt eine Schlechterstellung von SGB II-Leistungsempfängern. Die BRAK fordert daher statt einer Streichung, die Vorschrift parallel zu anderen Bereichen des Sozialrechts als echten Regressausschluss auszugestalten.
Grundsätzliche rechtsstaatliche Bedenken erhebt die BRAK gegen die vorgesehene Verkürzung der Äußerungsfrist im Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren bei Umweltverträglichkeitsprüfungen. Den Betroffenen werde so faktisch die Möglichkeit abgeschnitten, von Vorgängen Kenntnis zu nehmen und sich, ggf. nach anwaltlicher Beratung, zu ihnen angemessen zu äußern; damit stünden sie ohne Rechtsschutz da.
Der Entwurf sieht darüber hinaus Änderungen im anwaltlichen Berufsrecht vor. Unter anderem sollen die Formerfordernisse für Gebühren- und Haftungsbegrenzungsvereinbarungen erleichtert werden; künftig soll Textform für beides genügen.
Die BRAK weist jedoch auf eine Ungereimtheit im Zusammenhang mit der Einladung zu Kammerversammlungen hin, die zu unnötigem Mehraufwand für die Rechtsanwaltskammern führt. Anstelle der bisherigen Möglichkeit, durch Veröffentlichung in den Kammermitteilungen einzuladen, wurde im Jahr 2021 geregelt, dass die Einladung ausschließlich schriftlich erfolgen kann. Die Schriftform kann zwar durch eine vom Präsidenten oder der Präsidentin der Kammer qualifiziert elektronisch signierte Einladung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ersetzt werden. Für die nicht-anwaltlichen Pflichtmitglieder der Kammern ist dies jedoch nicht möglich, da diese kein beA haben; hier ist weiterhin postalischer Versand erforderlich.
Die BRAK weist insofern auf eine Reihe praktischer Gesichtspunkte hin. Aus ihrer Sicht besteht kein Grund, an dem Schriftformerfordernis festzuhalten. Sie regt an, Einladungen zur Kammerversammlung in Textform genügen zu lassen und einen Versand über das beA als Regelfall vorzusehen. Zudem sollten nicht-anwaltliche Pflichtmitglieder mit vergleichbaren besonderen elektronischen Postfächern, wie etwa Steuerberaterinnen und -berater, ebenfalls über diese eingeladen werden können.
Weiterführende Links: