Zuständigkeitsstreitwerte: Anwaltliche Vertretung darf nicht auf Kostenfaktor reduziert werden
Der Streitwert, bis zu dem die Amtsgerichte in Zivilsachen zuständig sind, soll von 5.000 auf 10.000 Euro angehoben werden. Dass dies vor allem mit dem Einsparen von Anwaltskosten begründet wird, missachtet nach Ansicht der BRAK die Rolle der Anwaltschaft für den Zugang zum Recht.
Das Bundesjustizministerium plant, den Streitwert, bis zu dem die Amtsgerichte in Zivilsachen zuständig sind, von derzeit 5.000 Euro auf 10.000 Euro zu verdoppeln. Das sieht ein Ende Juni vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz veröffentlichter Referentenentwurf vor. Zudem sollen die Zuständigkeiten für bestimmte Streitigkeiten unabhängig von deren Wert bei den Amts- bzw. Landgerichten konzentriert werden, um eine bessere Spezialisierung der Gerichte zu ermöglichen.
Die BRAK begrüßt grundsätzlich das formulierte Ziel, die Amtsgerichte in der Fläche zu stärken, sowie den Ansatz, die seit der letzten Anpassung vor über 30 Jahren eingetretene Inflation zu berücksichtigen. In gleicher Weise hatte sie sich auch bereits zu dem gleichgelagerten Reformvorhaben geäußert, das infolge des vorzeitigen Endes der vergangenen Legislaturperiode der Diskontinuität unterfallen war.
Kritik übt die BRAK jedoch daran, dass es dem Referentenentwurf sowohl an empirischer Grundlage als auch an flankierenden Maßnahmen zur strukturellen und personellen Absicherung der Gerichte fehlt – obwohl die Gerichte zeitgleich auch durch laufende Digitalisierungsprozesse belastet sind. Dies wäre jedoch ein zwingend notwendiger erster oder zumindest paralleler Schritt, bevor der Zuständigkeitsstreitwert in so erheblicher Größenordnung erhöht wird.
Problematisch ist aus Sicht der BRAK ferner, dass der Entwurf mögliche Wechselwirkungen mit parallel laufenden Reformvorhaben außer Betracht lässt. Dies gilt besonders für den jüngst veröffentlichten Referentenentwurf zum Online-Verfahren in der Zivilgerichtsbarkeit, der sich auf die Geltendmachung von Geldforderungen vor den Amtsgerichten bezieht.
Darüber hinaus weist die BRAK auf die Gefahr einer unübersichtlichen Zersplitterung der sachlichen Zuständigkeiten hin. Diese kann insbesondere für rechtsunkundige Bürgerinnen und Bürger den Zugang zum Recht erschweren.
Ein weiterer Kritikpunkt der BRAK ist das in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende unzureichende Verständnis von der Rolle der Anwaltschaft. Auf lediglich spekulativer Grundlage wird für etwa 9.000 Verfahren jährlich der Wegfall anwaltlicher Vertretung prognostiziert – und damit eine finanzielle „Entlastung“ von rund 14,5 Mio. Euro. Damit werde die Anwaltschaft auf einen bloßen Kostenfaktor reduziert und ihre Rolle nicht nur als Rechtsberater und -vertreter, sondern auch als ein Faktor im Prozess, der zur Verfahrensökonomie beiträgt, negiert.
Die BRAK fordert zudem die Beibehaltung des Anwaltszwangs sowie die Sicherung eines Gleichlaufs der Vergütung im Rahmen der Prozesskostenhilfe und der Wahlanwaltschaft.
Weiterführende Links:
- Stellungnahme Nr. 25/2025
- Referentenentwurf
- Nachrichten aus Berlin 13/2025 v. 26.6.2025 (zum Referentenentwurf)
- Stellungnahme Nr. 26/2024 (zum Referentenentwurf der 20. Legislaturperiode)