Nachrichten aus Berlin | Ausgabe 8/2025

BRAK kritisch gegenüber Reformvorschlag für Insolvenzeröffnungsverfahren

Die BRAK hat sich ablehnend gegenüber einem Vorschlag geäußert, der ein Informationsvorrecht der Finanzverwaltung bei zahlungsunfähigen oder überschuldeten Gesellschaften einführen will. Sie sieht dadurch den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger im Insolvenzverfahren gefährdet.

16.04.2025Newsletter

Ist eine Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet, dürfen die Mitglieder ihres Vertretungsorgans nach den Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO) keine Zahlungen mehr für die Gesellschaft leisten. Eine Ausnahme hiervon gilt nach § 15b I InsO, wenn die Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Für steuerrechtliche Zahlungspflichten enthält § 15b VIII InsO eine Sonderregelung: Hat eine Gesellschaft rechtzeitig einen Insolvenzantrag gestellt und zahlt sie ihre Steuern nicht, gelten die steuerrechtlichen Zahlungspflichten als nicht verletzt. Damit soll die Konfliktsituation der Geschäftsleiter zwischen insolvenz- und steuerrechtlichen Pflichten aufgelöst werden.

Der Bundesrechnungshof (BRH) evaluiert derzeit die Vorschriften zur steuerlichen Haftung. Im Rahmen dessen bat er das Bundesministerium der Justiz (BMJ) um Prüfung, weil die Finanzämter Schwierigkeiten bei der Anwendung von § 15b VIII InsO haben; insbesondere haben diese Probleme, den genauen Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenzreife zu ermitteln, der Voraussetzung für die Anwendung von § 15b VIII InsO ist. Daher regt der BRH an, den vorläufigen Insolvenzverwalter oder Gutachter – dessen Aufgabe es ist, festzustellen, ob ein Insolvenzgrund vorliegt und deshalb das Insolvenzverfahren zu eröffnen ist – regelmäßig mit der Feststellung des Zeitpunkts der Insolvenzreife zu beauftragen. Nach Einschätzung des BMJ ist das Eröffnungsverfahren jedoch ein zu früher Zeitpunkt, um die Insolvenzreife festzustellen, und insbesondere bei notorischen Verschleppungsfällen ist die Aufklärung sehr aufwändig.

Auf Bitte des BMJ hat die BRAK zu der Anregung des BRH kritisch Stellung genommen. Halte man die Insolvenzverwalter an, die im Rahmen der Identifikation und Verfolgung von Haftungsansprüchen nach §§ 15a/b InsO gewonnenen Erkenntnisse zum Eintritt der Insolvenzreife der Finanzverwaltung mitzuteilen, bedeute dies ein (Informations-)Vorrecht des Fiskus. Hiergegen äußert die BRAK erhebliche rechtliche, rechtsdogmatische und praktische Bedenken.

§ 15b VIII InsO ist aus Sicht der BRAK eine sinnvolle Regelung, um Geschäftsleiter zu einer rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags anzuhalten, da nach wie vor die meisten Insolvenzverfahren zu spät eingeleitet werden. Kommen sie ihrer Antragspflicht nicht nach, sind Durchsetzungsschwierigkeiten von Ansprüchen der Finanzverwaltung aber nicht auf Kosten der Gläubigergesamtheit zu beheben. Dies würde gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger verstoßen, der dem Insolvenzverfahren immanent ist. Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, die Interessen der Gläubigergesamtheit zu wahren. Wäre der Insolvenzverwalter jedoch – entsprechend dem Vorschlag des BRH – verpflichtet, der Finanzverwaltung seine Erkenntnisse mitzuteilen, könnte sich dies aber masseschmälernd und somit zu Lasten der Gläubigergesamtheit auswirken; denn die Finanzverwaltung könnte sich dann einen Vorsprung verschaffen, indem sie in das verbleibende Vermögen der Gesellschaft vollstreckt.

Ferner äußert die BRAK praktische Bedenken. Sie sieht daher keinen Anlass, etwas an der bestehenden Rechtslage zu ändern und tritt der Anregung des BRH entschieden entgegen.

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